Zum Hauptinhalt springen Skip to page footer

Eines zeichnet einen richtigen Dry Martini aus: Noilly Prat |©Tartuffel

Der perfekte Martini

Ein richtiger Martini ist eine trockene Sache. Ihn zu Ehren wurde das konisch geformte Martini-Glas erfunden und in der Tat: Der Schwung und die zarte Eleganz des Glases lassen sowohl auf seine Geschichte und seinen Geschmack schließen und bei genauerer Betrachtung auch auf seine glasklare Wirkung.

Gin oder Wodka? Auf jeden Fall Noilly Prat!

 

Es wird Zeit, einmal über Martini zu reden und daher sollte man auch über den Mann reden, der ihn auf der Leinwand populär gemacht hat: James Bond, selbstverständlich. Und selbstverständlich ist es kein Zufall, dass ein ausgemachter Frauenheld und Doppelnull-Agent diesen Drink bewirbt. Denn schon die Erfindung des Wermuts – unverzichtbarer Bestandteil eines jeden Martinis – war vom Wunsch getragen, den Frauen zu gefallen. Konkret ging es Antonio Benedetto Carpano gegen Ende des 18. Jahrhunderts darum, die ruppigen Weine seiner Zeit so zu verändern, dass sie besonders den Geschmack der Damen des Adels zusagen würden. Als Alternative zu den regionalen Rotweinen griff er auf Muskatwein als Basis zurück. Diesen versüßte er und aromatisierte ihn mit Auszügen aus rund 30 Kräutern. Der Erfolg dieses neuen Getränks war so durchschlagend, dass sein Geschäft fortan 24 Stunden am Tag geöffnet bleiben musste. Schnell wurde der Wermut das Getränk an adeligen Höfen, wobei in Norditalien eher eine liebliche Variante, in Südfrankreich eine trockene Variante entwickelt wurde. Und diese bildet die unverzichtbare Grundlage eines jeden Martinis, denn selbstverständlich muss er trocken sein, um geschmackliche Wirkung zu entfalten. Olive? Zitronen- oder Orangenzesten? Ein Martini kann aus verschiedenen Teilen zusammen gesetzt werden, unverzichtbar jedoch ist Wermut der Marke Noilly Prat. Mit dieser Regel ausgestattet kann man sich seine Bar aussuchen. Bei der Bestellung eines Martinis wird der Barkeeper das Gespräch suchen, um herauszufinden, welcher Martini wohl am besten zur Tagesform passen würde: Wet? Dry? Vodkatini? Gibson? Es gibt viele unterschiedliche Wege zum Martinihimmel. Doch sollte er einen anderen Wermut vorschlagen, verlässt man besten augenblicklich die Bar und sei es nur, um an einen Film zu denken, der Geschichte geschrieben hat:

 

Der Unsichtbare Dritte – und die Rolle der Frau

 

„North by Northwest“, der Klassiker von Alfred Hitchcock. In der Hauptrolle Cary Grant als so liebvolles wie verhätscheltes Muttersöhnchen Roger O. Thornhill – von dem bösen Zungen behaupten, das O. in seinem Vornamen stehe für das Nichts, welches sein bisheriges Leben ausmacht. Bis er eines Tages die Bekanntschaft der – wie sollte es bei Hitchcock auch anders sein – so mysteriösen, wie aufregenden Blondine Eve Kendall, gespielt von Eve Marie Saint, macht.  Thornhill wird fälschlicher Weise - er stellt ja als Leiter einer Marketingagentur selbst nichts dar, abgesehen von dem Verlangen seinen Tagen durch Verabredungen zu Lunch, Dinner und Drinks eine Struktur zu verleihen – für einen Agenten gehalten. Eve Kendall läuft ihm in die Arme, um ihn vor Schlimmeren zu bewahren. Was dann passiert sind atemlos schnelle Ortswechsel quer durch Amerika – die Maisszene, die ebenso Kinogeschichte schreiben wird, wie die Szenen am Mount Rushmore – und eine Liebesszene, die der strengen Zensur jener Zeit zum Trotz an Symbolik nicht zu übertreffen ist.  Hitchcock selbst spricht davon, dass wir in dieser Szene puren Sex zu sehen bekommen und wer wollte ihm, der es so meistershaft verstand, das Unbewusste selbst auf die Leinwand zu bannen, beim Anblick eines Zuges, der in einen Tunnel rast, da widersprechen? Dabei ist eine Besonderheit dieses Films – wir befinden uns in den konservativ prüden 50er Jahren des 20. Jahrhunderts – hervorzuheben, da sie heute leicht übersehen werden kann: Es ist die Rolle der Eve Kendall. Eve Marie Saint spielt diese Frau so intelligent und selbstbewusst, dass der Held des Films keine Chance hat: Er verfällt ihr und sie ist es, die ihn geschickt durch alle schwierigen Situationen auf eine Art manövriert, dass er stets noch denkt, Herr im eigenen Haus zu sein, bis sie schließlich im Bett, also im Hafen der Ehe landen. Mit anderen Worten: Eve Marie Saint nimmt hier den Typ Frau vorweg, den es im Kino erst mehr als 10 Jahre und eine sexuelle Revolution später zu sehen geben wird.

 

Heldin der Filmgeschichte

 

In Wirklichkeit erleben wir in diesem Film von 1959 die erste Heldin der Kinogeschichte nach Erfindung des Tonfilms. Und bedenkt man, dass dieser Film als Prototyp der James Bond Filme gilt, dann ist es sträflich, wie in dieser Filmreihe die Frauenrollen bis ins 21. Jahrhundert hinein angelegt sein werden: Sie sind als Sekretärinnen wie Sexobjekte bloße Verfügbarkeit des männlichen Heldenverlangens und damit Spiegelbild der Langweile dieses eindimensionalen Begehrens, das eben keine selbstbewusste Partnerin duldet. Natürlich wird hier mit patriarchal dummdreister Geste die große Chance verspielt, für das Selbstbewusstsein der Frau einzustehen, man hätte doch nur Hitchcocks Film genau betrachten müssen. Passend zu dieser armseligen Entscheidung ist der namensgebende Held in vielen Dingen ein jämmerlicher Blender. Selbst von Martinis („geschüttelt, nicht gerührt“) versteht er offensichtlich nicht das Geringste – dies aber mit so großspuriger Geste wie er selbst seinen Namen permanent betont: Bond, James Bond – Blender, jämmerlicher Blender. Denn selbstverständlich wird ein Martini gerührt, damit sich Gin und Wermut aufs trefflichste vermischen und ohne Trübung – die sich beim Schütteln einstellt - ins gekühlte Martiniglas gegeben werden können. Die Zubereitung samt einer Zitronenzeste und einer Olive ist vortrefflich und eindeutig uneindeutig geregelt, ganz so, wie es sich für den Zierrat eines Cocktails gehört. Lediglich bei der Frage, wie viel Wermut genommen werden soll, um einen perfekten trockenen Martini zu mixen, gehen die Expertenmeinungen auseinander. Klar ist allerdings, dass man den stahlharten Geschmack des Gins durch die Beigabe des Wermuts nur akzentuieren, nicht aber zerstören soll. Im Laufe der Martini-Rezepturgeschichte wurde der Anteil des Gins im Verhältnis zum Wermut permanent erhöht, was sicherlich der verbesserten Qualität des Destillats geschuldet ist. Die ersten Rezepte, die im 19. Jahrhundert auftauchen, verweisen auf ein Verhältnis von 2:1, dies hat sich mittlerweile völlig geändert. Ob es ein Teil Wermut auf fünf Teile Gin, oder doch lieber auf sechs sein soll ist schon seit Jahren eine Streitfrage, die so lange offen, wie das Glas leer bleibt. Auch Winston Churchill – ein passionierter Trinker, dessen ungebrochene Lust auf erstklassige Getränke so legendär war, wie die seines Landsmanns Alfred Hitchcock, empfahl eine andere Rezeptur: Gin, eiskalt – gelagert neben einer Flasche Wermut. Auch hier outet sich der bekannte Politiker und - bei uns eher unbekannte - Literaturnobelpreisträger als Freund des puren Geschmacks, der das Aroma seiner Zigarren nicht übertünchen sollte. Von Ian Flemming, dem Erfinder von James Bond, immerhin wissen wir, dass es auf jeden Fall Noilly Prat eiskalt sein muss, um das Glas damit aus Kühlungs- und Aromatisierungszwecken vorzubehandeln und dem Martini damit seine typische Struktur zu verleihen, auch er also outet sich eher als Gin-Purist, denn als Martini-Enthusiast. Halten wir es beim trockenen Martini also lieber nicht mit den englischen Helden aus Politik und Agentenfilm, sondern mit Dorothy Parker, einer anderen selbstbewussten Amerikanerin und verneigen uns vor ihrer feinen Ironie, die von der stimmungsaufhellenden Wirkung dieses Getränks mit detailliert ausgewogener Balance zwischen alkoholischer Wucht und aromatischer Eleganz so gut im Bilde war, wie von der Geschichte, die den Wermut seit seiner Erfindung vor 250 Jahren begleitete:

„I like to have a Martini

Two at the very most

After three I am under the table

After four I am under my host“

Und wer weiß, vielleicht wird es ja in naher Zukunft eine Doppelnullagentin geben, die weiß, wie man einen Martini nicht nur bestellt, sondern auch zubereitet. Man soll ja niemals nie sagen.

 

 

 

 

Mehr auf Tartuffel