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Cover des besprochenen Bandes (Ausschnitt) | © Reclam Verlag

Jenseits des Bananenrocks

Josephine Baker, uneheliche Tochter einer afroamerikanischen Waschfrau und eines jüdischen Schlagzeugers, erlebte als 11-Jährige 1917 ein Pogrom in East St. Louis, bei dem hunderte Menschen ermordet wurden. Dieses Erlebnis prägte sie so stark, dass sie als Erwachsene ihr Leben lang eine engagierte Kämpferin gegen Rassismus wurde. Für ihre Verdienste im zweiten Weltkrieg und ihre aktive Rolle in der Resistance wurde sie in die Ehrenlegion aufgenommen. 2021 wurde sie – als erste schwarze Frau – ins Pariser Pantheon aufgenommen und damit zu einer Nationalheiligen Frankreichs.

Josephine Bakers Biografie lädt zur Neu- und Wiederentdeckung der politischen Frau ein

„No jews, no dogs, no niggers“. Es werden diese Worte in dieser Reihenfolge sein, die die Tochter eines Juden und einer afroamerikanischen Waschfrau begleiten werden. Zunächst raus aus den Südstaaten nach New York und dann raus aus den USA nach Europa. Wo sie sich als angebliche Exotin, vor allem aber als Frau erwehren muss. Gegen den herrschenden Sexismus setzt sie ihren Körper, gegen den allgegenwärtigen Rassismus ihren Intellekt und im Krieg gegen die Nazis all ihren Mut und ihr Können auf der Seite des freien Frankreichs ein. Die neuaufgelegte Biografie ist eine Einladung Josephine Baker jenseits aller Klischees neu zu entdecken.  

Charleston und aktiver Widerstand gegen den Nationalsozialismus 

Josephine Baker lebte ein wildes, schönes, ereignisreiches Leben. Aus einfachsten Verhältnissen stammend erkannte sie früh, dass sie ihr Leben nicht in den Südstaaten der USA verbringen wollte. Zu dieser Erkenntnis trug sicherlich auch der Umstand bei, dass ihre Mutter sie im Alter von 13 Jahren mit dem wesentlich älteren Willie Wells verheiratete, die Ehe hielt nur wenige Wochen und Baker machte im Anschluss erste Erfahrungen als Komparsin beim Theater. Zwei Jahre später heiratet sie den Zugbegleiter Willie Baker, sie verlässt ihn 1925, behält aber seinen Namen. Noch im Zuge der Zeit dieser Ehe folgen die nächsten Schritte ihrer Karriere: Sie fasst in der Theaterwelt New Yorks Fuß und wird vom – damals in den USA sehr bekannten – deutschen Schriftsteller Karl-Gustav Vollmoeller nach Europa vermittelt.

Durch Josephine Bakers Bühnenauftritte lernen die Menschen in den europäischen Metropolen den Charleston kennen – und innerhalb kürzester Zeit wird Josephine Baker zum Inbegriff der schwarzen Venus. Das Verbot ihrer Auftritte in konservativen Metropolen wie Prag, München und Wien steigert dabei ihren Bekanntheitsgrad nur noch.

1937 erhält sie mittels ihrer Heirat des Industriellen Jean Lion die französische Staatsbürgerschaft. 1940 schließt sich die Inhaberin eines Pilotenscheins der Résistance an. Im weiteren Verlauf des Krieges zeichnet sie sich durch mutige Einsätze aus und wird erhält dafür 1946 die Médaille de la Résistance. 1957 wird sie in die Ehrenlegion aufgenommen. Eine wichtige Grundlage für die Entscheidung mit nationaler Tragweite, sie am 30. November 2021 als erste schwarze Frau ins Pariser Panthéon aufzunehmen und ihr damit den Status einer französischen Nationalheiligen zu verleihen.

Deutschland der Weimarer Zeit

Nach dem Debut in Frankreich wird Deutschland das Land sein, das sie mit Offenheit bereist. Ist dies ein Land, in dem sie leben möchte? Das Vertragsangebot von Max Reinhardts öffnet ihr die Türen für eine Karriere auf der anderen Seite des Rheins. „Doch mein Stern war der Himmel über Paris.“ Und letztlich ist es das Unverständnis dem deutschen Geist gegenüber. So anziehend Max Reinhard wirkt, so irritierend ist der Geist des Suizids, den sie in Deutschland fortan antrifft. Immer wieder muss sie auf ihren Tourneen durch Deutschland Zuflucht in Frankreich suchen, um neuen Mut zu schöpfen. Daran ändert auch der Jubel in Berlin nichts, nicht die Begeisterung, die sie in Max Reinhardt für sich entfacht. Etwas missfällt ihr jetzt schon an diesem Deutschland: Denn es sind nicht einfach die heute so oft besungenen goldenen Jahre, deren Exzesse sie in Berlin erlebt. Auch der Charme von Berlin, den sie erkennt, kann sie nicht wirklich verführen. Sie weiß nicht, was es ist. Aber es wird der später von den Nazis nach Frankreich Exportierte Rassismus sein, den sie hier schon lange vor der Machtübernahme überall erlebt. Werden Menschenrechte auch nur für einen bestimmten Teil grundsätzlich beschnitten, das spürt sie nicht nur intuitiv, sind sie nichts mehr wert. Und dieser Rassismus drückt sich in Worten, aber auch in der feinen Setzung von Pausen aus: Ein Komma, dass die Barbarei kultiviert erscheinen lassen möchte, sie aber eindrücklich unterstreicht:

„Nein, mein Fräulein, in München werden Sie nicht tanzen. München, mein Fräulein, ist eine anständige Stadt.“ Und es sind diese Zitate, die dieses Buch auf seine ganz eigene Art spannend werden lassen. „Ich tanzte also nicht in München. Die Polizei verbot es mir: „Sie verletzen den öffentlichen Anstand““. Und da steht sie, wie nur wenige Jahre zuvor in den Südstaaten: Auf Grund ihrer Hautfarbe wird sie abgewiesen, ausgegrenzt. Und dagegen wird sie sich ihr Leben lang zur Wehr setzen.

Kochend die Herzen der Welt erobern

„Gesund zu essen, Monsieur Sauvage ist gut für die Gesundheit. Am besten ist das Einfachste.“ Ein Satz der auch heute allgemeine Anerkennung finden könnte, doch natürlich spricht hier eine Frau auf der kulinarischen Höhe ihrer Zeit, wie der direkt folgende Satz unter Beweis stellt: „Rotes Fleisch, blutig vom Grill, kaum angebraten, mit allem Saft.“

Der Angesprochene, ihr Biograf wird diesen Satz, wie viele andere Sätze der Künstlerin unkommentiert in seine Biografie aufnehmen, denn auf diese Weise erhalten sie die dynamische Lebendigkeit mit der Josephine Baker auf das Leben blickte:

„Ich habe einen unstillbaren Appetit. Mein Lieblingsessen sind Spaghetti mit einer Schicht rotem Pfeffer. Italienische Spaghetti, über denen ich eine halbe Stunde lang die Pfeffermühle schwenke. Ich liebe das.“ Doch nicht nur einfach scharfe Pasta hat es ihr angetan, denn von klein auf wird sie auf die Bedeutung des Kochens hingewiesen:

„Wenn du groß bist, wirst du sehen, kochen zu können ist nützlich, sagte meine Mutter.“ Und so wird aus dem Kind nicht nur eine bedeutende Entertainerin, selbstsichere Frau und eine Liebhaberin guten Essens, sondern auch eine gute Köchin:

„Ich bin eine gute Köchen. Oft koche ich abends für meine Freunde. Und ich backe hervorragende Kuchen. Meine Spezialgerichte sind gefüllte Bagels, Huhn in Sahnesauce, Früchtetarte, Kaviarpfannkuchen, Kaninchen-Confit und Makkaroni Napoli.“

Und im Buch sind vier Rezepte von Freddy, Josephines zeitweiligem Koch versammelt. Freddy „war genauso war genauso fröhlich wie ich und lachte so breit wie seine Steaks. Kulinarisch kommt man hier also auf seine Kosten. Doch wesentlich mehr erfährt man über diese Frau und ihren lebenslangen Kampf gegen Rassismus, nicht nur in den Südstaaten der USA, sondern überall, wo Rassismus und Antisemitismus offen eine Allianz gegen die Menschenwürde betreiben:

No jews, no dogs, no niggers.

 

Tartuffel empfiehlt:

Marcel Sauvage: Josephine Baker. Tanzen, Singen, Freiheit. Memoiren. Mit einem Vorwort von Jean-Claude-Bouillon Baker und einer Einleitung von Michel Sauvage, sowie einem Nachwort von Mona Horncastle, Reclam, Stuttgart 2025, 281 S., geb., 26,00€ 

 

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