Launig kochen
Nach „Besessen“ legt die Schweizer Anglistik-Professorin Elisabeth Bronfen ihren zweiten kulinarischen Band vor. Im ersten Band sprach die in den Film- und Kulturwissenschaften bewanderte Autorin davon, wie besessen sie von Essen und seiner aromatischen Zubereitung ist. Nun aber reflektiert die Autorin über die Launen, die sie in die Küche treiben, oder die sie durch das Kochen erzeugen kann. Herausgekommen ist eine so kurzweilige wie tiefgründige Reflexion über die Tätigkeiten in der Küche, die Überlegungen zu Einkauf, Zubereitung und die Art, wie man seine Gäste glücklich machen möchte. Rezepte? Liefert dieser Band in stimmungsvoller Fülle und eindrucksvoller Beschreibung. Rezepte, die schon bei der Lektüre Laune machen.
Viel Zeit zu kochen
Wellness in der Küche. Eine Wohltat. Denn man sollte die Zeit in der Küche genießen. Und das spricht gegen den lang anhaltenden Trend der Kochbücher, die sich mit Zeitersparnis selbst anpreisen. Die sogenannten 30 oder gar 10 Minuten Rezepte setzen den Koch und die Köchin nicht nur von Anfang an unter Zeitdruck, sie berauben dem Kochen den Spaß. Ihnen geht es nicht um eine handwerkliche Leistung, sondern nur um das Erstellen eines Ergebnisses im Akkord. Um geschmackvolle Ergebnisse aus dem Nichts zu zaubern, geht es in “Kochen nach Laune” darum, die Zeit selbst schmeckbar werden zu lassen: Der selbst gebeizte Lachs, das langsam zubereitete Schmorgericht, welches über Stunden seiner geschmacklichen Vollendung entgegenköchelt. All dies steht für Wohlgeschmack und Reife. Richtig verstanden steht man nicht lange in der Küche, sondern gibt den Gerichten nur die Zeit, die sie benötigen, hat also selbst viel Zeit, um sich zu entspannen, andere Dinge zu tun, oder eben schnelle Gerichte ganz nebenbei zuzubereiten, denn auch unter Zeitdruck zu kochen, kann eine eigene Methode der Konzentration, der Gleichzeitigkeit und des Multitaskings am Herd erzeugen.
Bronfen geht auf die einfachen Aspekte des Kochens ein, wenn es darum geht, Geschmack aus dem Handgelenk zu zaubern und wer wollte bestreiten, dass der Dreiklang Tomaten – Burrata - und selbstgemachtes Trüffelöl nicht umwerfend als geschmacklicher Akkord funktioniert, den man umgehend auf die Teller zaubern kann und zugleich ein passendes Mittel an der Hand hält, um novembrige Trübsal erst gar nicht aufziehen lassen zu können.
Verschwendung als Genuss: Babettes Fest
Am lebendigsten aber geraten die Texte der Autorin, wenn es nicht um Kargheit und Verzicht, nicht um Gesundheit und Alltag, sondern um die Erschaffung des außeralltäglichen Feiermomentes geht. Denn Genuss will nicht nur anschmiegsam, gesund und gefällig sein, er will die Regeln des Alltags auch einmal außer Kraft setzen. Dann geht es um die genussvolle Aufwertung eines grandiosen Gerichtes, es geht um die weitere Flasche ausgezeichneten Weins, es geht darum, seine Gäste zu Freunden zu machen und Üppigkeit als gemeinsames Erlebnis zu feiern. Mustergültig führt Bronfen dies an Babettes Fest, Gabriel Axens Verfilmung der gleichnamigen Novelle von Karen Blixen vor Augen. Hier verzaubert eine französische Köchin die protestantische Karkheit gewohnten Bewohner eines dänischen Dorfes. Wird die Fremdheit der Speisen zunächst argwöhnisch beobachtet, so spricht man doch nach anfänglichem Zögern dem Genuss und Wohlgeschmack zu. Die Dorfbewohner erleben zum ersten Mal in ihrem Leben, welche Wohltat ein hervorragendes Menü auf die Gemeinschaft und jeden Einzelnen ausüben kann.
Mit Lust und Laune führt Bronfen vor, welche schönen Momente im zubereiten von Speisen liegen, wenn man bereit ist, den Genuss im Auge zu behalten: Denn genuss ist in Zeiten der steigenden Gesundheitsimperative und digitaler Kalorienzähler, das analoge Antidot und geschmackvolles Glücksversprechen.
Die Autorin hatte jahrelang eine weiße Postkarte auf ihrem Schreibtisch, auf der in schwarzer Schrift stand:
„Too much of a good thing can be wonderful“ Ausschweifende Lebensfreude, die sich nicht in die Schranken weisen lässt, ist ein schönes, ein passendes Bild, um die Verausgabung an der Freude des Kochens, der Ausschweifung als Gabe, auf den Punkt zu bringen.
Nach der Lektüre betreten wir unsere Küchen vielleicht nicht in anderen Launen, sicher aber werden wir sie bewusster beim Kochen einsetzen, sie nutzen und uns von ihnen inspirieren lassen.
Tartuffel empfiehlt:
Elisabeth Bronfen: Kochen nach Laune. Meine Stimmungsküche. Echtzeit Verlag, Basel 2025, 272 S., geb., 42,00€