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Am Beispiel der Möhre | © Sascha Walz

Am Beispiel der Möhre

Wir stehen erst am Anfang einer Entwicklung, um das kulinarische Potential unserer als alltäglich angesehenen Nahrungsmittel auszuschöpfen, so Jörg Reuter in seiner Begrüßungsansprache. Gerade im Bereich der Gemüse scheint endlich die Zeit gekommen, sie nicht mehr wie eine lästige Beilage zu betrachten, sondern sie im Gegenteil wie ein Star zu inszenieren.

Welches kulinarische Potential Möhren entwickeln können, war inhaltlicher Bezugspunkt der von Transgourmet ins Leben gerufenen Think-Do-Tank in der Offenbacher Kochwerkstatt.

Alles beginnt mit der Erde

Scheiben, Streifen, Granulat, Pulver, Asche, süß als Kuchen, gepickelt, fermentiert, als Saft oder Sauce – die Möhre bietet zahlreiche Geschmackspotentiale – ohne jetzt schon auf die unterschiedlichen Sorten zu sprechen zu kommen. Es wird Zeit, die Möhre differenzierter zu betrachten. Denn gerade die Beschäftigung mit diesem so bekannten, wie alltäglich verwendeten Gemüse kann exemplarisch zeigen, welche kulinarische Vielfalt auf diesem Gebiet zu entdecken ist.

Dazu wurde am 28.10.2019 nach Offenbach eingeladen. Hier, in der Kochwerkstatt sollte das Potential der Möhre im Zusammenspiel von Lebenmittelproduzenten und neun Küchenteams neu ausgelotet werden.

Erde und Terroir

Doch es geht nicht nur um die Kreativität in der Küche, sondern auch um die Sorte der Karotte und die Erde, in der sie wächst. Gärtner Olaf Schnelle hatte daher nicht nur unterschiedliche Möhrensorten im Gepäck, sondern berichtete über neue Erkenntnisse des symbiotischen Verhaltens von der Pflanze mit der Erde:

 “Für mich ist am spannendsten wie der Geschmack durch die Bodenpflege beeinflusst wird. Das ist etwas, was wir Gärtner uns gerade erst erschließen. Wir bekommen mit, wie sehr die Pflanze den Boden beeinflusst und wie andererseits der Boden die Pflanze beeinflusst. Das ist unbedingt als Einheit zu sehen. Ich bin davon überzeugt, dass ein Gärtner oder ein Bauer keine Düngemittel braucht, weil die Pflanzen in der Lage sind sich alles, was sie brauchen, selbst zu erschließen. Das heißt wenn wir uns um den Boden kümmern, dann hat die Pflanze alles was sie benötigt.“

Was beim Spargel also schon fast zur Normalität gehört, könnte also für andere Gemüse zu einer Chance werden: Qualitätsbezeichnung durch Nennung der Anbauregion, oder des jeweiligen Produzenten. Nicht umsonst drängt sich hier der Vergleich zu einem Winzer auf, der nicht nur mit seinem Namen auf der Flasche für Qualität bürgt, sondern durch die Nennung der Lage auch das Terroir als Qualitätsmerkmal nennt. Warum also - so die Überlegung von Gilbert Korn-Fourcade, Innovationsreferent von Transgourmet – sollte man nicht den geschmacklichen Charakter der unterschiedlichen Karottensorten so ernsthaft in den Blick nehmen, wie den der unterschiedlichen Rebsorten? Genau wie beim Wein kommt es auch bei den Gemüsen sicherlich darauf an, auf welchen Böden und in welchem Klima sie gedeihen. 

Wie zur Bestätigung präsentierte Joachim Busch aus dem Frankfurter Gustav die in der Normandie und der Bretagne gezogenen Sandmöhren, die sich durch intensives Aroma auszeichnen. Die Sandmöhren wurde hier gegrillt und der so entstandene weiche Kern mit Molke angerichtet. Isabel Jauernig vom Hofgut zur Scheunenwirtin verarbeitete ihre im Ofen geröstten Karotten mit Vanille und Kokosmilch zu einer aromatisch dichten Suppe. Ein Ergebnis, das aufzeigt, wie das Aufbrechen klassischer Zubereitungsarten zu einer neuen, geschmacklichen Synthese führen kann.

Ricky Saward aus den Seven Swans präsentierte die Möhre mit Kürbiskernmiso und vergorenen Apfel als überraschenden Zwischengang. Paul Jahrn aus dem Restaurant Horvarth schenkte die Möhren als mit Estragon aromatisierten Saft aus und Martin Weghofer aus dem Hotel Kloster Haydau dekonstruierte das Bild eines Karottenkuchens an Karottensorbet. Insgesamt zeigten die Teams an zwanzig Unterschiedlichen Flights, wie abwechslungsreich man die Karotte deklinieren kann.

Ausblick

Doch allein die Masse an Flights verdeutlichte auch die Vielzahl an Ideen rund um die Möhre. Etwas zu kurz kam an diesem Tag die Zeit für den informativen Austausch, aber dies zeigt ja lediglich, dass man hier auf einem richtig guten Weg ist. Fortsetzung gewünscht. Denn von den rund 300 in der EU gehandelten Sorten, konnte an diesem Tag nur ein sehr geringer Teil überhaupt Erwähnung, geschweige denn seinen Platz auf die Teller finden.

Sicherlich könnte es bald schon vorkommen, dass die Sorte und die Herkunft der Karotte auf der Karte benannt werden, wie Christoph Hauser aus dem Restaurant Herz+Niere feststellte:

 „Wir alle sind auf einer gewissen Art und Weise auf Spurensuche und wollen eine regionale Identität wieder auf dem Teller haben. Wir nennen nicht die Sorte der Karotte auf der Karte, aber vielleicht wird es dahin gehen. So wie man beim Spargel auch immer die Herkunft nennt.“.

Eines hat der Think-Do-Tank in der Kochwerkstatt allen beteiligten bestätigt: Denkt man die Möhre, oder eben Gemüse schlechthin neu, so bekommt man schnell neue, teilweise sogar spektakuläre Ergebnisse auf den Tellern. Man darf auf die weitere Entwicklung gespannt sein.

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