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Bar-Geldlos

Hausbar. Geschenkt! Das Wort wirkt so altbacken, dass man es kaum noch im Munde zu führen wagt. Dabei geht es weniger um Retrolook, noch um die ästhetischen Vorzüge eines über Jahre gewachsenen Patinaüberzugs. Die Hausbar ist nie ganz aus der Mode gekommen, sie hat nur lange Zeit einfach keine Worte über sich verloren. Denn sie weiß, was sich gehört. Und dabei ist sie zum Markenzeichen für Gemeinsamkeit geworden.

 

Die Hausbar erscheint in neuem Licht

 

Lange Zeit litt die Hausbar unter unerträglichen, ja man könnte sogar sagen, schlicht untrinkbaren Befüllungen. Weder kleine Feiglinge, noch Steinhäger oder Kirschliköre erweckten den Eindruck von weltoffener Geisteshaltung. Doch das ändert sich und die Hausbar erfährt wieder größere Wertschätzung und damit endlich wieder mehr Gehirnschmalz bei der Überlegung, wie man sie sinnvoll zusammensetzen kann. Denn wie bei der Einrichtung des Hauses, lässt die Hausbar erkennen, welche Wertschätzung man dem Gast entgegenbringt.

Manches Mal kann man Dinge besser erklären, wenn man sich über ihr vermeintliches Gegenteil Gedanken  macht. Sehen wir es einmal mit den Augen des von Humphrey Bogart gespielten Rick Blaine. Bekanntlich saß der Besitzer der Bar, die im Film „Casablanca“ seinen Namen trägt gerne an seinem Tresen und gönnte sich einen Drink. Zugegen: Nicht jeder kann sich einen eigenen Nachtclub leisten, um sich kostenlos an der Bar bedienen zu können. Das Spannende an der Hausbar ist ja auch nicht der kostenlose Zugriff alleine, sondern die Möglichkeit des gemeinsamen Umtrunks in gemütlicher Runde.

Und es ist vielleicht kein Zufall, dass wir hier an Rick Blaine erinnern. Denn die scheinbare Abgebrühtheit überspielt ja nur notdürftig seine Melancholie, die er gerne und professionell mit Alkohol zu betäuben sucht. Schließlich soll niemand erfahren, dass er ein hoffnungsloser Romantiker ist und ständig an seine verflossene Liebe zurückdenkt. In dieser Hinsicht ist es auch sehr wahrscheinlich, dass er seine Bar nur eröffnet hat, damit Ilsa eines Tages „unter all den Kaschemmen der ganzen Welt ausgerechnet“ in seine kommt. Kein Wunder, hatte er sie doch deutlich mit seinem Namen gekennzeichnet: Rick´s Café Casablanca.

Nun, im Fall von Ilsa ist es so, dass sie sich für den Mann mit den Ambitionen entschieden hat. So betrachtet, erzählt Casablanca die Geschichte von Rick Blaine, der endlich aufhören muss, eine öffentlich Bar zu betreiben, nur um wie die von Edward Hopper im Jahr der Dreharbeiten zu Casablanca gemalten Nighthawks mit ausdruckslosem Gesicht sein Leben zu bedauern, anstatt sich ambitionierteren Projekten zu widmen und sich damit für eine zukünftige Zweisamkeit überhaupt öffnen zu können.

Großes Kino in den eigenen vier Wänden

 

Die Hausbar ist, wenn man so möchte das Gegenteil der öffentlich zugänglichen Bar. Denn hier sucht man sein Heil nicht in einsamen Vergessen, sondern in der Gemeinsamkeit: welche Zutaten sind unerlässlich? Welche Alkoholika benötigt man für die gemeinsamen Lieblingsdrinks- und Cocktails? Welche Getränke möchte man seinen Gästen keinesfalls vorenthalten? Und schon ist man im eigenen Haus in einem beziehungsbildenden Gespräch. Welche Getränke bevorzugt man gemeinsam? Wo liegen die Unterschiede? Wie kann man auf die unterschiedlichen Wünsche der Gäste am besten eingehen? Möchte man sich als Rumexperte zu erkennen geben, oder lieber doch konservativ bleiben und eine Batterie von Malt-Flaschen in der Hausbar bevorraten? Dabei ist es keineswegs unerheblich, ob man Angostura als unverzichtbare Zutat der heimischen Hausbar ansieht, oder ob man die Flasche Gaillano in ein besonderes Licht rückt, damit ihr gelblich schimmernder Inhalt passend in Szene gesetzt werden kann.

 

Sollte man Port, oder Sherry als Aperitif reichen, oder doch lieber einen Negroni, einen Lillet, oder – passend zum Thema – einen Manhatten? Die Hausbar bietet ein nahezu unerschöpfliches Potential an Zutaten, Mixhinweisen und Gesprächen darüber. Denn es ist gar nicht egal, ob man einen Champagner Cocktail, oder einen Whiskey Sour anbietet. Rick Blaine wird in seiner privaten Hausbar sicherlich auch Martini, Oliven und Eis bevorraten, um mit einem Martini Dry, eine passende Abwechslung zum Whiskey auf Eis bieten zu können. Aber das ist eine andere Geschichte. Spannend aber ist, dass die Hausbar nach Gesprächen verlangt, sie ist das demokratische Element des Paares, welches im gemeinsamen Haus seinen wahren Schatz pflegt und im Hinblick auf unzählige gemeinsame wie gesellige Stunden gedeihen lässt. Jetzt, wo das Pairing von Longdrinks, Cocktails mit guten Speisen in hippen Bars als Barfood Einzug gehalten hat, kann man nicht nur die Bar neu bestücken, sondern die für den Abend geplanten Getränke gleich mit dem Menü für Gäste, oder zum Abendessen zu Zweit abstimmen. Auf einmal betrachtet man die Hausbar neu. Ihre wunderbare Patina scheint in neuem Licht zu strahlen.

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