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Cover des besprochenen Bandes (Ausschnitt) |© Thorbecke Verlag

Entspannt Freunde einladen

Schreibst du eigentlich nur positive Rezensionen frug mich neulich ein Gastrosoph. Ich musste etwas überlegen und, dann kramte ich die alte Geschichte von dem Schild im Friseursalon aus. Dort stand: Sind Sie zufrieden sagen sie es Anderen, sind Sie es nicht sagen Sie es bitte mir!

Nun gut, der Coiffeur siezte mich damals nicht, denn damals liegt fünfundfünfzig Jahre zurück. Also ich antwortete dem Schmecklecker, dass ich tatsächlich nur etwas schreibe, wenn ich mit dem Werk zufrieden bin, besser, mich durch Aufmachung, Schreibstil, Bebilderung und Nachvollziehbarkeit der Rezepte überzeugt. Ich haue keinen Autor oder Autorin in die Pfanne, nur weil ich für mich in Anspruch nehme, der kulinarische Überzensor zu sein, vor dem Kochbuchschreiber zittern. 

Spaß, Entspannung, Anregung und ein rundum gelungenes Buch

Ähnlich verhalte ich mich nach Restaurantbesuchen. Ich schreibe nicht gleich wütend los, wenn mir etwas nicht gefallen hat. Entweder kehre ich dort nicht mehr ein oder der Wirt bzw. die Wirtin erhalten eine zweite Chance. Ich meide längst die Foren der Geschmacklosigkeit, sondern vertraue meinen eigenen Sinnen. 

Offen bin ich für Empfehlungen guter Freunde bei Freund-Dinnern.

Die Autorin Enikö Gruber, ab hier Eni, kann etwas, was ich nicht kann, nämlich für mehrere Freunde Speisen zubereiten, so, dass alle gemeinsam genießen. Mich überfordert schon der einfache Grillabend mit hoher Rippe, Bauchspeck und profanen Grillwürsten. Alle essen und unterhalten sich entspannt, nur ich Doof stehe am Grill, bin rauchgeschwärzt, nahe an de CO- Vergiftung und esse, wenn alle weg sind, klägliche Salatreste. Mit wem hatte ich mich eigentlich unterhalten....?

Eni empfiehlt: „Pfeift auf Perfektion und habt die allerschönste Zeit!“ Aber es sind Kleinigkeiten von größter Wichtigkeit,  „die ein einfaches Gericht zu etwas Besonderem machen!“ Dieser Meinung ist ja auch Witzigmann und Eni nennt diese Marginalien „Geheimzutaten“ die  auf dem Tellerrand ihres Einsatzes harren. Dazu steht unter einigen Rezepten Enis Geheimtipp. Hier geht es um Konservierung, Variationen und Verfeinerungen. Die Rezepte sind mit Symbolen gekennzeichnet, die zeigen ob es ein vegetarisches oder veganes Gericht ist. Vegetarisch eine Möhre und Vegan ein Blatt. Eni plant Essen mit Freunden akribisch durch. Es geht von der Einladung per Karte über darin integrierte Menus, bis zur Tischmusik. Die Gestaltungsbeispiele kann sich der digital orientierte Kochende über einen QR-Code herunterladen, der auf der letzten Seite zu finden ist. Super! Das alles wird noch ergänzt durch einen Menüfinder, eine Anleitung, ähnlich einem Bestimmungsschlüssel für Pilze. Schritt für Schritt wird dem oder der Küchenaffinen gezeigt, wie die Angst, für mehrere Gäste zu kochen, verschwindet. Die empfohlenen Menüs helfen dabei.

Ich habe mir für morgen und den Tag darauf zwei Gemüsebeilagen ausgesucht. Beilagen klingt untertrieben. Ich habe im Garten noch eine große Portion Grüne Bohnen und Stangenbohnen entdeckt. Bei einigen, sehr reifen, Exemplaren kann ich nur die Kerne verwenden. Eni bereitet die Bohnen mit Bacon und Karamellbutter zu. Alles kommt später in die große Pfanne. Nichts für die schlanke Linie, bei vier Esslöffeln Butter. Bei mir hat die schlanke Linie ohnehin ziemlich viele Rundungen. Übermorgen gibt es dann: 

Karamellisierte Pilze mit Thymian, Zitrone und Knoblauch. Auch die Pilze sind zur Zeit auf meinen Wiesen zu finden. Beste Champignons und an einem Pflaumenbaum sprießt ein Schwefelporling. Allein die drei zu verwendenden großen Knoblauchzehen lassen mich schon aufgeregt ausatmen. Eine vegetarische Zubereitung auf die ich sehr gespannt bin.

Fazit

Enis Buch ist ein Knaller für junge Menschen, die gerne kochen, aber sich nicht trauen, ihre Kochversuche mit anderen Genießern zu teilen.

In meinem Alter sind die Kochorgien früherer Zeiten selten geworden. Die angedachten Gäste essen entweder nicht so gut gewürzt, trinken nur Biowein, nichts Süßes darf sein oder lesen die so toll gestaltete Einladung aus Enibasis nicht richtig und kommen einen Tag zu früh oder zu spät oder gar nicht. Wer, auch im Alltag, nicht so genau weiß, was gekocht werden soll, muss sich dieses Buch unter das Kopfkissen legen. Er wacht morgens auf und stürmt in die Küche. Und von Eni eingeladen zu werden, bedeutet Hochgenuss, auch wenn sie sich selbst als nicht perfekte Köchin fühlt. Sie meint sie ist ungeduldig, chaotisch, eigensinnig und hält sich nicht mal an die eigenen Rezeptangaben. Das fördert geradezu die Kreativität und vermeidet einfallslose Kochroutinen. Drei Kochmützen von mir!

 

Tartuffel empfiehlt:

Enikö Gruber: Food, Friends & Love. Entspannt kochen und mit Freunden genießen

Thorbecke Verlag Ostfildern 2019, 208 S. geb.,  28,00€

 

 

 

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