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Cover des besprochenen Buches (Ausschnitt) |© Rowohlt Verlag

Paris ist mehr als Gourmandise

Ein guter Koch weiß, dass man gute Zutaten für ein gelingendes Menü braucht. Dazu wird er sich darauf verstehen, die einzelnen Gänge abzuschmecken. Überleitungen, Harmonien und Kontraste erzeugen und damit eine kulinarische Geschichte erzählen. Vincent Klink ist ein sehr guter Koch und ein wirklich guter Autor.

 

Mit Vincent Klink sinnend, genießend und auf der Überholspur

Wenn ich von kulinarischen Beschreibungen aus Paris höre, denke ich unwillkürlich an A.J. Liebling. Dessen Texte „Zwischen den Gängen“ geschrieben malen ein opulentes Werk der französischen Hauptstadt zwischen den Kriegen. Liebling liebte nicht nur das Schreiben, sondern gutes Essen und guten Wein am liebsten in großen Mengen. Vielleicht ist es seinem Sinn für ausufernden kulinarischen Genuss geschuldet, dass er eines der schönsten Bonmots erfand. „Marcel Proust hätte ein großer Schriftsteller werden können. Hätte er nur einen gesegneten Appetit gehabt. Bedenkt man, was lediglich ein in Tee getauchtes kleines Stück Gebäck für einen Roman in ihm auslöste.“

Warum ich das schreibe? Nun, in vielen Fällen schlägt sich kulinarischer Genuss auch im Genuss an schönen Formulierungen nieder. So, wie in diesem Buch. Denn Vincent Klink nimmt seine Leser nicht einfach mit auf einen Spaziergang durch Paris. Im Eiltempo auf dem E-Bike lässt er sie an seiner Liebe zu dieser Stadt, ihren Museen, Restaurants, ihren Intellektuellen und ihren Künstlern Teil haben. Und ganz nebenbei erfahren die Leser, dass man hier auch essen gehen soll. Denn Paris ist zwar die Stadt der Liebe, aber die kann auch nicht nur von Luft leben. Also Essen, in ausgesuchten Restaurants und zwar immer mehrere Gänge, die von schönen Weinen begleitet werden. Champagner vorab? Das Leben ist zu kurz, um darauf zu verzichten!

Der Bauch und Paris

Wer jetzt aber Restaurantkritiken in loser Abfolge erwartet, wird durch die Lektüre eines Besseren belehrt. Natürlich gibt es Beschreibungen von Restaurantbesuchen, aber sie lesen sich als sinnliche Beschreibungen des Gesamtkunstwerks, das ein Restaurant ausmachen kann. Die Gäste, der Services, die Geschichte der Architektur und den Spaß, den man beim Essen im Restaurant – diesem nicht öffentlichen, aber eben auch nicht privaten Raum, der die Küche vom Gastraum, die Arbeit vom Genuss trennt - erleben kann. Und schnell zeigt der Koch, dass er nicht nur Musiker, sondern eben auch Schriftsteller ist.

Also flanieren wir mit dem Autor durch die Passagen, genießen die wohldosierten Anklänge an Walter Benjamin, lassen uns von der Geschichte des 19. Jahrhunderts und vom aristokratischen Anblick mancher Hotels beeindrucken. Aber der Stil verweilt nie beim Allgemeinen, er geht ins Detail, verbindet persönliche Erfahrungen mit gegenwärtigen Erlebnissen und ja: Auch Proust findet hier literarisch-kulinarische Ehren. Aber es sind vor allem andere Figuren, die hier Einlass finden, z.B. der frühere Staatspräsident Françoise Mitterrand, der am Ende seines Lebens noch ein letztes Festmahl veranstaltet. Es werden die Ortolane sein, die den Gourmet beglücken sollen. Und in der Tat wird diese, auch in Frankreich verbotene Speise, die letzte sein, die der dem Sterben Geweihte zu sich nehmen wird. Danach legt er sich ins Bett, verweigert jede weitere Nahrung und stirbt wenige Tage später. Doch auch dies ist nur eine von zahlreichen im Buch versammelten Geschichten, die an ein anderes Buch denken und es aufschlagen lassen. So öffnet die Lektüre in ganz sanften Tönen eine kulinarische Bibliothek. Und wir Schlendern mit dem Autor durch die Stadtviertel, verweilen in Hotelbars, erfahren erstaunliche Details über die ersten Restaurants in dieser Stadt des Essens und bekommen doch unweigerlich irgendwann nicht nur Appetit, sondern Hunger. Zum Glück sind auch einige ausgewählte Rezepte im Buch versammelt.

 

Tartuffel empfiehlt:

Vincent Klink: Ein Bauch spaziert durch Paris. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2015, 288 S. geb., oder Taschenbuch.

 

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