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Cover des besprochenen Buches (Ausschnitt) |© AT-Verlag

Thaiurlaub

“One night in Bangkok

Bangkok, Oriental setting

And the city don't know

what the city is getting“

 

Wenn auf meinem Phone die Nachricht erscheint: Bring was aus dem Wok mit!  ist für mich klar: Krabben und Reis mit Thaicurry. Ben Kindler würde vermutlich schmunzeln, wenn er diese Variante hierzulande probieren würde, aber mir schmeckt sie. Weil ich nicht weiß, wie das Gericht in Thailand schmecken würde. Und damit bin ich schon bei der wichtigen Frage: 

Muss ich nach Bangkok fliegen, um authentische Thaiküche zu genießen?

Bangkok Streetfood zu Hause

Ich bin mir nicht sicher und zwar deshalb nicht, weil ich nicht weiß ob meine Kochkünste ausreichen, auch wenn ich alle Zutaten besäße. Und alle weiteren Kochutensilien. Ben beschreibt unter Basics zunächst die unbedingt nötigen Kochwerkzeuge und siehe da, ich habe fast alles, außer einem Bambuskorb in dem, über dem Wok platziert, sich Gemüse, Fisch und Fleisch, Klebreis und Jasmin schonend dämpfen lassen. Also gut, der Autor meint, dass ich mir den im Asialaden günstig besorgen könnte. Und in der Küche gibt es Wok, Kellen, Messer, Schäler, kleine Schalen und ein Küchensieb aber keinen Mörser zum Zerkleinern von Gewürzen. Oder doch?  Nun gut, eigentlich könnte ich loskochen. Nur was? Ben hilft weiter, indem er die Grundzutaten beschreibt: Fischsoße und Austernsoße, Knoblauch und Schalotten, Currypasten und Chilis, Palmzucker, Limette und Kokosmilch. Ach ja, die Kräuter, Blätter und Wurzeln, die nicht nur durch einzigartigen Geschmack, sondern auch durch ihre Wirkung auf das Wohlbefinden glänzen. Diese sind: Zitronengras, Galgant (mit Ingwer verwandt, für Currypasten und Suppen, Kaffirlimettenblätter (sehr aromatisch in frischem oder gefrorenen Zustand) Basilikum, Koriander, Minze und Frühlingszwiebeln. Letzte klingen trivial, sind aber wohl für die Thaiküche ein wichtiges Gemüse. Für meine Küche auch. Es geht weiter mit Pandanblättern, (würzig, aromatisch, zum Einwickeln von Grillgut) noch nie gehört. Dann folgen die sechs verschiedenen Reissorten, darunter auch Klebreis. Der gelingt mir allzu oft, sagen einige Familienmitglieder. Ohne reichlich Mineralwasser nicht herunter zu schlucken. Ich weiche ihn auch nicht 12 Stunden ein, bevor er gedämpft wird. Daran wird’s liegen. Dass es überhaupt so viele Reissorten gibt, weiß mein Vorratsschrank gar nicht.

Einfach und einfach nur gut

Das Buch ist klar gegliedert. Man muss nicht erst auf den letzten Seiten im Register blättern, obwohl übersichtlich vorhanden. Noch vor den einleitenden Worten, sprich Vorwort, sind die Kapitel sehr gut arrangiert, von Basics über Salate, Suppen bis Sweets. Im Rezeptverzeichnis findet man dann das konkrete Rezept zu allen Überschriften.

Und die Rezepte selbst sind präzise mit genauen Zutatenlisten und Zeitangaben der Zubereitung. Als Beispiel nehme ich die auf Seite 120 präsentierte Reissuppe mit Hühnchen, die in fünfundzwanzig Minuten auf dem Tisch steht. Einfach und einfach nur gut. Einfacher geht’s nicht und das dazugehörende Bild hat mich angespornt, sie selbst zu bereiten. Also ich hatte keinen Jasmin Reis zur Hand, aber auch mit der üblichen Sorte ein Suppengedicht, das ich inzwischen auswendig kann. Das Rezept ist für vier Personen empfohlen. Ich habe natürlich mal wieder die für zwei Personen gedachte Menge gespeist. Ich kann es halt nicht lassen. Ich hätte also sieben Mahlzeiten, wie sie mindestens in Thailand pro Tag empfohlen werden, nicht geschafft.

Überhaupt, die Bebilderung, für die Joss Andres auf den Auslöser drückte, regt bereits die Geschmacksknospen an. Die Aufnahmen wirken so, als stünde das Gericht auf dem Tisch. Und die Milieustudien sind einzigartig, mit unglaublicher Schärfentiefe, und garniert mit klassischen Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Großartig!

Was mich zunächst etwas störte war die kleine Schrift der Erläuterungen. Auf den Seiten wäre genügend Platz für ein größeres Schriftbild gewesen. Aber ich gewöhnte mich schnell daran, vor allem deshalb, weil alles informativ und lesenswert ist. Und da es sicherlich weitere Auflagen geben wird können Schriftgröße und Schriftschärfe korrigiert werden.

Fazit

Bangkok scheint eine einzige Garküche zu sein. Die Märkte mit riesigem Angebot an Gemüsen und Zutaten. Kochen ist hier Leben. Das Buch ist eigentlich kein Kochbuch im herkömmlichen Sinn, sondern ein kulinarischer Reiseführer, der Lust macht, sich den Genüssen und Kochdünsten hinzugeben. Ein fast heiliger Ort für kreative Köchinnen, Köche und kochende Diverse oder solche, die es werden wollen. Bei über fünfzigtausend Herden vor Ort, wird der Genuss wohl nie Routine. Ach ja, meine Frage ob ich nach Bangkok fliegen muss, um authentische Thaiküche zu genießen? Ben Kindler könnte sie besser beantworten als ich. Vielleicht belasse ich es erstmal damit, seine Kochschule zu besuchen, wenn ich mal wieder den Kaiserstuhl besteige. Mich schreckt der lange Flug, aber mein achtzigjähriger Nachbar ist gerade auf Trackingtour im Himalaya. Dass Ben Kindler seine erste Thailandreise vor knapp zwanzig Jahren gemacht hat, bezweifle ich angesichts der Bilder, denn es sieht eher so aus, als wäre er gerade zwanzig Jahre alt geworden. Thaiküche scheint jung zu halten. Und meine Kochkünste reichen nach dieser entspannten Lektüre aus, Thaiküche nicht nur von auswärts mitzubringen.  Ben macht Mut, denn er nimmt für sich und Nichtköche in Anspruch Rezepte zu variieren, dafür sind Rezepte da, nur die vom Arzt sollte man nicht verändern, sondern streng befolgen.

Bangkok, Oriental setting

And the city don't know 

what the city is getting

Die Stadt weiß nicht, was sie demnächst bekommt. Ich weiß es. Wieder einmal: Besuch von Ben Kindler und anderen kreativen Kochköpfen, aber nicht nur für One night. 

Ben ist der Bangcook.

Tartuffel empfiehlt:

Ben Kindler: Bangkok. Original Streetfood, AT-Verlag  Aarau, München 2019, 240 S. geb., 29.90€

 

 

 

 

 

 

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