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Essen. Trinken. Atmosphäre.

Bistroküche gehört zu der Kategorie Soulfood. Wenn sie gut gemacht ist, vermittelt die Küche eines Bistros zielsicher ein Gefühl davon angekommen zu sein: An diesem Ort, in diesem Moment ist man richtig.

Und  genau genommen bildet sie die Königsdisziplin einer Küche, die das Besondere im Alltag markiert. Es gibt zahlreiche Bücher über Bistroküchen, aber selten wird die Atmosphäre eines quicklebendigen Bistros ins Buch übersetzt und sehr oft findet man in den Rezepten nicht den Geist der Bistroküche wieder.

Nicht so im vorliegenden Fall.

 

Bistroküche vom Feinsten

 

Was würde man auf einer einsamen Insel vermissen? Natürlich ein Bistro. Denn hier kann man alles finden, um den Blues der Einsamkeit zu überwinden. Gutes Essen, korrespondierende Weine und eine gesellige Atmosphäre.

Was aber, wenn gerade kein schönes Bistro in der Nachbarschaft ist und man sich also wie auf einer einsamen Insel fühlt? Dann hilft dieses Buch nicht nur weiter, es gibt zahlreiche überraschend vielseitige Anregungen, gelingsichere Rezepte und verblüffend stimmige Weinempfehlungen. Also: Unbedingt den Menü- und Einkaufsplan um die Rubrik korrespondierende Weine erweitern.

Stéphane Reynaud hatte schon vor einigen Jahren auf dem deutschen Kochbuchmarkt auf sich aufmerksam gemacht, als er mit seinem Buch "Terrinen und Pasteten", dem vermeintlich altbackenen Thema die gebührende Frische einhauchte und es mit aromatischer Finesse versah. Hier kann man erkennen, wie grandios auch vegetarische Terrinen sein können. In seiner Interpretation kommen sie nicht aus einer längst vergangenen Zeit, sondern werden zu gut vorzubereitenden, zeitlosem Picknickfood.

Nun also macht er sich auf, die Bistroküche vorzustellen. Zunächst verwundert dieses Anliegen, da die Welle der Bücher zu Bistroküche ja gerade erst abgeebbt zu sein scheint. Und vielleicht ist es auch deshalb gerade der richtige Zeitpunkt, um sich des Themas noch einmal grundsätzlich zu widmen. Denn es scheint, dass hier ein Koch, der selbst mit Leidenschaft ein Bistro in Paris betreibt, die Bücher seiner Kollegen studiert hat, um deren Stärken zu bündeln und deren Schwachstellen zu vermeiden. Welche Zutaten braucht es dazu?

Nun, zunächst einmal alle, die es schaffen, bei der Lektüre eine Bistroatmosphäre herzustellen. Ein zunächst schwieriges Unterfangen, schließlich ist man ja als Leser eher auf einer einsamen Insel als in einem quirligen Bistro. Also: Atmosphärisch dichte Texte, anregenden Ansprachen in Bild und Form. Sehr gute Rezepte, die das gesamte Repertoire der saisonalen Bistroküche über das Jahr abbilden und die Übersicht, bei aller Liebe zum Detail, auch den Überblick zu vermitteln. Welcher Wein passt zu den Gerichten? Welche Getränke zu den im Buch versammelten Tageszeiten? Welches Brot zu den im Buch akkurat gelisteten Käsesorten? Wo werden die Käse produziert? Welche Schinken-,und Wurstsorten finden ihren Weg ins Bistro?

 

Tresen oder Tisch? Die Präsentation!

 

Was aber macht die Faszination dieses Buches aus? Die Rezepte? Ja. Die Fotografie? Gewiss. Der lockere Stil der Texte? Selbstverständlich. Doch es ist noch etwas anderes, eine Art gelungener Mis en place für ein Bistro-Buch: Es ist die Gestaltung und durchdachte Struktur, die hier wie ein sinnvoll eingerichteter Tresen und ein gemütliches Bistro mit seinen eng gestellten Tischen und Stühlen für Atmosphäre sorgt. Wie das gelingt? Mit leichter Hand – durch gute Vorbereitung und übersichtliche Planung. Mit Unterteilungen nach Zeiten, Regionen, Rezepten und Produktinformationen. Dabei sorgt der einheitliche Stil für ruhige Darstellungen und passende Kontraste der anregenden Fotografien von Marie-Pierre Morel.  

Auf diese Weise versammeln sich 250 Rezepte appetitlich angerichtet, von Croissants und Marmelade, über Suppen, Pasteten, Rillettes und Innereien, Fisch, Geflügel und Desserts in diesem außergewöhnlichen Buch. Sogar an Details, wie ein Rezept für Blutwurst oder zahlreiche Eierrezepte ist hier gedacht. Und erst auf den zweiten Blick fällt auf, dass hier nicht nur eine stilsichere Abwechslung von Rezepten, die vorbereitet werden können und Rezepten die frisch zubereitet werden, vorliegt - auch an alle Jahreszeiten ist bei der Auswahl gedacht worden. Die Rezepte selbst sind – ganz im Bistro-Stil – auf Gelingsicherheit reduziert, ohne an Faszination oder Geschmack einzubüßen.

 

Quicklebendig: Bistro

 

Sicher, wenn man erstklassig essen will, kann man in ausgezeichnete Restaurants gehen. Will man aber geselligen Spaß haben und auf kulinarischen Genuss nicht verzichten, sollte man den Weg ins Bistro vorziehen. Oder aber seine Freunde zu sich nach Hause einladen. Die Rezepte für einen unterhaltsamen Abend, Nachmittag oder Mittag finden sich in diesem Buch versammelt. Dabei handelt es sich um Klassiker (ja, zum Glück auch Pasteten und Terrinen) der französischen Küche ebenso, wie um neue Rezepte (Hummus aus Puy-Linsen) und traditionelle Rezepte der frranzösischen Küche, wie Cassoulet, Geflügelparfait oder Schnecken, die gemeinsam ein modernes Bistro-Repertoire abbilden. Zahlreiche Tart- und Dessertrezepte runde das Buch ab. Und jeder Asterix-Fan wird verzückt sein, wenn er merkt, dass dieses eine Römerlager gar nicht nach Barbaren benannt ist, sondern nach dieser umwerfenden Köstlichkeit: Baba au Rhum.

Umrahmt werden die Rezepte durch zielsichere Weinempfehlungen und ein umffassendes Käsekapitel. Mithin ein Buch, das man auf einer einsamen Insel nicht missen möchte, da es so viel Lebensfreude vereint mit kulinarischer Finesse versprüht, wird man sie allerdings bald wieder verlassen wollen, um dem Bistro des Autors Le General einen Besuch abzustatten, oder um nach diesem Buch für Freunde zu Hause zu kochen.

 

Tartuffel empfiehlt:

Stéphane Reynaud: Bistro, Bistro. 100% Französische Küche. 250 Rezepte. 100 Weine. 480 Seiten, geb., DK Verlag, 39,95€

 

 

 

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