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Gewürze: Hintergrund Anwendung, Pairing - In Bestform

Salz in der Suppe? Gewürze!

Klar, ohne Gewürze bleibt jede Küche fad. Und es wird Zeit, ein Kochbuch zu schreiben, in dem die Gewürze im Fokus stehen. Gewürze, die mit ihrem spezifischen Geschmacksrichtungen auch die Entwicklung und Gliederung der Rezepte vorgeben. Dieses Buch von Heiko Antonieiwcz geht neue Gewürz-Wege. Mit Gewinn.

Überraschend. Grundlegend. Gelingsicher. Kontraste und Akzente: Gewürze - Das neue Buch von Antoniewicz

Es macht Sinn, sich zu Beginn vor Augen zu führen, was Gewürze eigentlich sind. Denn zu sehr haben wir uns daran gewöhnt, sie in küchenfertiger Form zu erwerben, als wir noch den Bezug zu ihrem Ursprung präsent haben. Hier setzt das Buch mit leichter Hand an: Klammern wir Salz aus Sonderfall aus, dann sind Gewürze in der Regel unterschiedliche Teile von Pflanzen: (Muskat-) Blüte, (Lorbeer-) Blatt, Zimt (-rinde), Ingwer (-wurzel), Wacholder (-beere), Süßholzsaft (Lakritz) und (Wild-) Kräuter.

Wie aber lassen sich die so zahlreichen wie unterschiedlichen Gewürze und Gewürzmischungen klassifizieren? Das Buch macht hier einen auf den ersten Blick irritierenden, aber bei genauerer Betrachtung sehr sinnvollen Vorschlag, indem es mit Assoziationen arbeitet und den Leser automatisch animiert, Gewürze selbst anhand der eigenen Assoziationen in einem persönlich neuen Zusammenhang zu stellen.

Wald, Wasser, Hitze, Wind

Herb, harzig, bitter, frisch, eukalyptisch, kräuterig, röstig: Es sind diese Assoziationen, die mit einem Spaziergang im Wald in Erinnerung gerufen werden. Hat es geregnet? Scheint die Sonne? Ist es Frühling oder Herbst? Der Geruch von Harz, Kräutern und feuchter Erde steigt in der Erinnerung auf. Klar, der Wald erdet und mit diesen Assoziationen im Gepäck werden die im Kapitel verwendeten Gewürze vorgestellt. Auf gleiche Weise wird in den folgenden drei Kapiteln verfahren.

Es ist eine gelungene Komposition, die hier so erfrischend, wie bei einem Besuch in einem guten Restaurant zur Anwendung kommt: Die Assoziation öffnet das Feld für die unterschiedlichen Geschmackseindrücke, die durch die Charaktereigenschaften der darunter versammelten Gewürze konkretisiert werden. Nun sind – um im Bild zu bleiben – Sinne, Gaumen und Zunge so in Spannung versetzt, dass sie gespannt die völlig neuen Geschmackskompositionen, mit denen die durchweg leicht selbst zu kochenden Rezepte aufwarten, aufnehmen. Schnell scheinen auch scheinbar exotisch anmutende Kompositionen wie Schellfisch mit Rindensahne in ihrem kompositorischen Gehalt durchdacht und ausgewogen, da man für das Zusammenspiel der unterschiedlichen Geschmacksrichtungen im Vorfeld zielgerichtet sensibilisiert worden ist. Denn wenn man erst einmal gelernt hat, welche positiven Eigenschaften Birkenrinde mit ihren ätherischen Ölen, Gerb- und Bitterstoffen hat, merkt man schnell, was für einen Katalysator sie als Gewürz bereitstellt um die zarten Aromen des Fischs mit der Sahnesauce zu verbinden. Und ohne es selbst zu thematisieren, zeigt dieses Rezept – beispielgebend für die anderen dezenten Hinweise, die alle in diesem Buch versammelten Rezepte auszeichnen – wie der Fisch am besten Vorbereitet wird und wie man mit anderen Zutaten, etwa etwas Chorizo, ein paar Radieschen und geröstete Erdnüsse, für geschmacklichen Kontrast, frische Elemente und knackige Textur im Handumdrehen sorgen kann.

Gewürze gezielt einsetzen - Verschlankte Vollmundigkeit

Spannend ist der Einsatz von Gewürzen, gerade bei sehr zutatenreduzierten vegetarischen Gerichten, wie dem Eintopf mit weißen Bohnen, der hier anhand von getrockneten Sellerieblättern und der persischen Gewürzmischung Djah Oftadeh zu einer orientalischen Verführung wird. Im Rezept zu Linsendaal bekommt einen so unauffälligen wie sinnvollen Hinweis zur Zubereitung von Okraschoten, dass man ihn sich merken sollte, um dieses Gemüse öfter auf den persönlichen Speiseplan zu heben. Für ein tieferes Verständnis eröffnet das Buch in einem weiteren Schritt anhand ausgesuchter Gewürze und Gemüse verblüffende und gelingende Pairings. Im Anschluss kann man manche Zubereitung erfahren, die schlichtweg grandios genannt werden kann: Die „Zucchini mit Blüten und Walnussragù“ sind als Komposition eine Offenbarung auf dem Teller, das Ragù aus Walnüssen für sich genommen kann aber auch gut zu Pasta genossen werden, es ist in der hier vorgestellten Variante auch sehr gut als vegane Bolognese geeignet, die sich aber auch ganz nach Geschmacl grandios mit Parmesan bestreuen lässt. Ähnlich geht es mit zahlreichen der hier versammelten Rezepte, deren einzelne Komponenten immer wieder als Teamplayer in anderen Zusammenhängen funktionieren und so stellt „Gewürze“ in einer Reihe mit „Aromen. Das Kochbuch“ nichts weniger als einen Geschmacksbaukasten dar, nach dessen Prinzip man schnell eigene Zusammenstellungen und neue Varianten ausprobieren kann. Ganz nach Vorräten und Saison. Lust auf Gewürze macht dieses Buch sowieso. Die entsprechenden Gewürz-Regale sollte man also ausbaufähig halten. Da kommt schnell was Schönes in die Schränke, auf den Herd und in die Schüsseln. Und ganz nebenbei schärft man seine Sinne für neue Gewürze und damit verbundene geschmackliche Akzentuierungen und Abrundungen.

 

Tartuffel empfiehlt:

Heiko Antoniewicz: Gewürze. Das Kochbuch. DK, München 2023, 240 S., geb., 34,95€

 

 

 

 

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