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Flora und Fauna: Ein neuer Standard in Sachen grundlegender Kochkunst

Beim Barte der Jakobsmuschel

Nils Henkel hat mit Fauna nach Flora seinen zweiten grundlegenden Band vorgelegt. Und nach der Lektüre muss man feststellen, dass der kulinarischen Welt hier zwei so grandiose wie gewichtige Geschenke gemacht worden sind. Denn hier betreibt ein Koch nicht eine Bestandsaufnahme seiner Kochkunst. Nils Henkel liefert mit leichter Hand einen neuen Standard.

 

Nils Henkel schafft nach Flora ein neues Standardwerk: Fauna

Phänomenal. Gigantisch. Grundlegend. Normalerweise ist Nils Henkel ja sparsam mit Superlativen, daher seien sie in Bezug auf sein neues Kochbuch direkt zu Beginn einmal genannt. Denn sie markieren ohne Umschreibung den Kern der hier in üppiger Fülle vorhandenen Gedanken, Anregungen und Rezepte. Und dann legt man das Buch für einen Moment zur Seite und fragt sich: Was ist eigentlich Kochkunst? Denn diese Frage wird in Fauna, dem nach Flora lange erwarteten Koch-Meilenstein von Nils Henkel nicht einfach aufgeworfen, sondern auf unterschiedlichen Ebenen beantwortet. Und so lohnt sich die aufmerksame Lektüre bis hin zu den Grundrezepten, dann aber kann man dieses Buch auch als Nachschlagewerk und zur täglichen Inspiration zu Rate ziehen. Denn schon die auf den ersten Seiten unter der Rubrik „Brot und Butter“ versammelten Rezepte dienen als Anregung, gleich selbst in der Küche aktiv zu werden: Wenige Zutaten, augenfällige kompositorische Passgenauigkeit, vom Aufbau an. Das hier die Nussbutter den Reigen eröffnet, ist keine Spielerei, sondern dient dem Aufbau der Rezepte mustergültig für die weiteren im Buch. Zwei Zutaten. Anleitung. Fertig ist das Fundament, um zu weiteren Rezepten zu kommen. Bestechend in ihrer gradlinigen Struktur, gleich ob Flammkuchen, Überraschungsei oder Entenleber, die mit Granatapfelgel und Minzjoghurt in knusprig frittiertem Papadam verführerisch leicht als Fingerfood offeriert wird. Und auch hier stellt man fest, dass alle einzelnen Komponenten für sich stehen und selbstverständlich auch in anderen Kombinationen Verwendung finden können – Anregungen von Beginn an.

Neben zahlriechen Ideen liefert das Buch auch passende Getränkebegleitungen mit und gleichberechtigt ohne Alkohol – ein Beispiel, das Schule machen sollte, denn hier wird das Gericht direkt für den Gast mit passenden Begleitungen angeführt.

Klassische Kategorien werden – wie beim Ceviche von der Dorade – auf spielerische Art dekonstruiert und hier mit Nussbutter, Grapefruit und Blumenkohl mit leichter Hand geschmackvoll neu komponiert. Stellvertretend für andere Beispiele sei hier nur der Bauch vom Landschwein mit Birnen, Bohnen und Speck genannt. Der Bauch erfährt neben den klassischen Kräutern und Gewürzen mit Noilly Prat geschmackliche Tiefe, bevor er Sous vide gegart und vor dem Servieren knusprig angebraten wird. Vorbereitung abgeschlossen, lange bevor die Gäste eintreffen.

Der Bart der Jakobsmuschel  

Natürlich, es hört sich schon lautmalerisch schön an und dennoch: Sucht man in deutschen Kochbüchern nach Rezepten für Jakobsmuschelbärte, so scheitert man für gewöhnlich. Nicht so in diesem Buch. Die Bärte, gewässert und abgetropft werden hier mit Dashibouillon, Sake, Austernsauce und Algenpulver mit Traubenkernöl zu Algenmayo hochgezogen und mit Limette abgeschmeckt. Es ist nur einer der zahlriechen Hinweise, die sich in den Rezepten sowie den rund 200 Seiten Grundrezepten finden lassen. Im Zusammenspiel mit all den grandiosen Ideen, die den Lesern hier unterbreitet werden, machen sie dieses Buch zu einem unverzichtbaren Bestandteil einer ambitionierten Küche.

Mit anderen Worten: Es gab eine Zeit vor Fauna und Flora und jetzt gibt es eine andere Zeit. 

Denn im Zusammenspiel mit Flora haben wir nun ein Kochbuch-Duo vorliegen, die den Standard des Kochens heben und zum Ausdruck bringen.

 

Tartuffel empfiehlt:

Nils Henkel: Fauna. 75 komplette Gerichte, mehr als 300 Grundrezepte, 376 Seiten geb., Hampp Verlag , Freiburg 2023, 98,00€

 

Was auf die Ohren: Nils Henkel in unserem Podcast.

 

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