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Nicht nur essen .... italienische Küche macht reden | © Echtzeit Verlag

Delizia

Pizza, Pasta und Co. Im Gepäck italienischer Auswanderer haben italienische Lebensmittel ihren Siegeszug um die Welt angetreten. Wie gut, dass nun ein Klassiker der italienischen Küche von

Die Küche Italiens eingefangen in zwei Büchern

Während ihr Mann an der amerikanischen Botschaft in Paris arbeitete, erlernte Julia Child in der Pariser Kochschule "Cordon Blue" die Geheimnisse der französischen Küche und machte diese nach ihrer Rückkehr in die Staaten populär. Ihr 1961 erschienenes Buch „Mastering the Art of French Cooking“ avancierte zu einem Meilenstein der Kochbuchliteratur und beeinflusste die Küche Nordamerikas nachhaltig. Die andere europäische Küche, welche die amerikanische grundlegend beeinflusst hat, ist die aus den Regionen Italiens.

Fast zeitgleich sind nun zwei Bücher erschienen, die ebenfalls unter die Kategorie „Meilensteine der Kochbuchliteratur“ fallen. Verblüffender Weise sind beide mit einem Vorwort eines Schriftstellers ausgestattet, ganz so, als müsste ein Buch, welches sich den Rezepten oder der Kulturgeschichte des Kochens eines bestimmten Landes widmet, noch eigens annonciert werden. Doch in beiden Fällen haben die Vorworte ihren Sinn und auf ganz eigentümliche Weise ergänzen sich die beiden Bücher fast so, als hätten sie aufeinander gewartet. Dabei können die Unterschiede ihrer Entstehung kaum größer sein. Das eine geschrieben von einer Italienerin, die im amerikanischen Exil die Küche ihrer Kindheit und damit einen wesentlichen Teil ihrer Heimat derart vermisste, dass sie sich selbst das Kochen beibrachte. Dabei verinnerlichte sie die einfachen Prinzipien der italienischen Küche so gut, dass sie schon bald nicht nur ihre Gäste begeisterte sondern eigene Kochseminare durchführte. Das andere Buch verfasst von einer Russin, die seit über zwanzig Jahren in Mailand wohnt und die verschiedenen Regionen Italiens bereist, um den Ursprung der zahlreichen kulinarischen Spezialitäten des Landes zu ergründen. Das eine Buch eine fast schon klassisch zu nennende Rezeptsammlung der italienischen Küche in einer überarbeiteten Neuauflage, das andere eine kulturwissenschaftlich angeregte Beschäftigung mit den kulinarischen Produkten der italienischen Regionen.

Über die Männer zu den Büchern der Frauen

Ausnahmsweise ist es an dieser Stelle einmal angebracht, die Vorworte der Bücher zu betrachten. Christian Seiler weiß über das Buch von Marcella Hazan zu berichten, dass es sicherlich das eine Buch ist, das er niemals abgeben würde, sollte er – als praktisch unsinnige Arbeitshypothese – nur noch mit einem Leben können. Es ist ein Buch, das die Augen öffnet für die Zusammenhänge in der Küche, die so einfach sein können, wenn man sie denn verstanden hat, oder zu verstehen lernt durch die Lektüre dieses Buches. Und sicherlich ist es kein Zufall, wenn Seiler im Vorwort einen weiteren Kollegen – Max Küng – zitiert, der mit Marcella Hazan nicht nur zusammen kochen, sondern mit ihr auch die Zutaten in Venedig einkaufen konnte: „In der Hazan-Küche ist kein Platz für Affentheater, für Mätzchen, für Chichi. Dekorationen sind ihr ein Gräuel. Alles hat seinen Grund. Eine Zutat ist eine Zutat. Das Weglassen ist genauso wichtig wie das Hinzutun.“ Das Essen soll so sein, wie die Menschen, wie das Leben, wenn es gut sein soll: einfach muss es sein, ehrlich, echt und gut. So ist auch der Aufbau des Buches, durchdacht, stringent, übersichtlich und die Rezepte sind nicht nur zahl- sondern vor allen Dingen abwechslungsreich.

In seinem Vorwort zu „Italia!“ von Elena Kostioukovitch macht sich Umberto Eco Gedanken über das Verhältnis der Italiener, mehr noch der italienischen Sprache, denn er kommt wie von selbst auf die essenden Figuren seiner Romane zu sprechen, zu ihren kulinarischen Spezialitäten, die in den Augen ihres Autors mehr sind als Geschmack oder schlichte Sättigung. Auch wenn es Eco im Zweifelsfalle vorziehen würde, eine gute Pizza um die Ecke zu bestellen, bedeuten ihm regionale Spezialitäten so viel, dass er ihretwegen gerne auch längere Reisen auf sich nimmt. Denn in diesen Gerichten verdichten sich Sprache, Tradition und Kultur auf dem Teller. Vielleicht ist Italien mit seinen unterschiedlichen Regionen von den Alpen über die Toskana bis hin nach Sizilien derart vielfältig, dass mit Kostioukovitch erst eine Ausländerin ins Land kommen musste, um all die Einflüsse und Spezialitäten als die Produkte einer Nation beschreiben zu können.

Region, Produkt, Rezept

Und in „Italia!“ sind die Geschichten rund um die Rezepte regional geordnet. Dabei entsteht für den Leser aber nicht der Eindruck eines großen Gefälles von den Alpen über die Poebene, oder von der Toskana bis nach Sizilien. Vielmehr entdeckt man hier die Vielseitigkeit italienischer Produkte und Zubereitungsarten im Zusammenhang mit der Sprache über sie. Virtuos verknüpft die Übersetzerin der Werke Ecos Kulturgeschichte, Literatur und kulinarische Spezialitäten des Landes, so dass man den Eindruck gewinnt, das Eine nicht ohne das Andere haben zu können. Bei Betrachtungen über die Toskana weiß sie nicht nur über den Marmor aus Carrara zu berichten, sondern beschäftigt sich auch kulinarisch mit ihm. Denn die Abfallprodukte der Marmorblockgewinnung, die Marmorwannen sind eine unerlässliche Zutat zur Herstellung des berühmte Lardo di Colonnata. Der Marmor ist besonders porös, weist ein hohes Gehalt an Kalziumkarbonat auf, trocknet so den Speck und verleiht ihm an der Oberfläche das für ihn typischen Aroma. Aber auch die berühmten süßen Versuchungen aus der Toskana werden mit kulturell wachsamen Augen betrachtet: Die Panforte – mittlerweile ein weltbekannter Weihnachtskuchen – bestehend aus Rosinen, Honig, Mandeln, Kürbis, Zitronat, Orangeat, Gewürzen und Honig ist nicht nur eine typische Süßspeise Sienas, sie wurde schon von Dante im sechsten Kreis des Fegefeuers seiner göttlichen Komödie angesiedelt. Bei Dante heißt der Erfinder dieser sündigen Süßigkeit Ubaldino, Bruder eines Kardinals, der das Rezept von einer Nonne Namens Berta aus dem Kloster Montecelso erhalten haben will, was diese aber abstritt, sehr wahrscheinlich, da sie sich ihrer süßen Sünden wegen schämte. Unabhängig davon: Ab 1370 wird Panforte als Leckerei in den Büchern Venedigs erwähnt, wohin man dieses Gebäck exportierte, zur Stärkung während des Karnevals. Sowohl die Panforte - um an dieser Stelle nur die süße Sünde mit dem heiligen Weingeist zu verbinden wie auch anderes Gebäck der Toskana, etwa die Cantucci aus Prato oder die Giottini aus Giotto werden zum Verzehr in vin santo getaucht.

Antipasto, Primo, Secondo, Insalata, Dolce

Die "Klassische italienische Küche" bereist nicht die Regionen sondern hält sich an die traditionelle Speisenfolge. Neben den Grundlagen liefert das Buch einige nützliche Tipps und hält unaufdringliche Ratschläge zu den Küchengeräten parat. Neben den Saucen und den kalten Vorspeisen gibt es nicht nur ein eigenes Kapitel für Pastasaucen sondern auch eines für Pasta und Pastagerichte. Ein anderes ist dem Risotto vorbehalten, ein weiteres der Polenta usw.. Über Fisch und Fleisch gelangt man zu den Kapiteln über Innereien, Gemüse, Salate, Desserts und Gelato. Das Buch ist mit Umsicht geschrieben und sehr einprägsam aufgebaut, man kann es wie ein Nachschlagewerk zur Hand nehmen, aber auch grundlegend studierend fündig werden.

Viele Gerichte haben eine kleine Einleitung. So erfährt man zur Panzanella, dem in Italien allgegenwärtigen Brotsalat, das in fast ganz Italien als Grundlage für die besten Salate zwei altbewährte Nahrungsmittel der Armen dienen: Wasser und Brot. Verwendet man ein typisches altbackenes Brot der Toskana, erhält man in Zusammenspiel mit etwas Wasser, Olivenöl, Anchovis und anderen einfachen Zutaten aus dem Garten einen wunderbar frischen Salat, der nicht nur eine Fülle an Aromen beinhaltet, sondern sich auch als passender Begleiter der Weine dieser Region anbietet.

Fast wie eine Ergänzung lesen sich da die den Rezepten der „Klassischen italienischen Küche“ vorangestellten „Zutaten“. Hier werden nicht nur Kräuter oder Semmelbrösel einer genaueren Analyse unterzogen, auch eine Zutat, die in den meisten Kochbüchern so oft ungenannt bleibt, erhält hier eine würdevolle Betrachtung: das Wasser. „Wasser ist in der italienischen Küche die bescheidenste und kostbarste Zutat zugleich; sein Wert ist gerade deshalb so hoch, weil es so unauffällig ist.“ Schon in diesem Satz, der lediglich den Beginn der Beschreibung dieser Zutat benennt, steckt so viel gekochte Erfahrung, dass die Analyse der einzelnen Zutat stets auch eine Synthese, als Ergebnis des Kochvorgangs bereit hält.

Bei der Lektüre beider Bücher merkt man, warum die Italiener so oft über ihr Essen reden: Die Zubereitung der Speisen bildet eine wesentliche Grundlage ihrer Sprache. Und so endet diese Besprechung auch mit den Worten einer der Autorinnen, um zu zeigen, wie viel Anspielungsreichtum für die Sprache im Essen liegt: „In ihrer Zusammensetzung hat eine vollständige italienische Mahlzeit ähnliche Grundmuster wie eine zivilisierte Gesellschaft: Kein Gericht erdrückt das andere, weder was die Menge noch die Aromen betrifft, jedes lässt den Augen und dem Gaumen Raum für neue Reize, jeder neue Eindruck vermischt sich mit der Erinnerung an das Vorhergegangene. Sich zum Essen Zeit zu nehmen, wie es die Italiener immer noch tun, bedeutet, mit ihnen ihre unerschöpfliche Gabe zu teilen, das Leben zu einer Kunst zu machen.“

Wer sich umfassend und grundlegend mit der italienischen Küche am Herd und im Lesesessel auseinandersetzen möchte, dem sei die Lektüre dieser beiden Bücher wärmstens empfohlen.

Für Sie gelesen

Elena Kostioukovitch: Italia! Die Italiener und ihre Leidenschaft für das Essen. Eine Reise von den Alpen bis Sizilien und Sardinien. einem Vorwort von Umberto Eco. S. Fischer Verlag Frankfurt/Main, 552 Seiten geb., 24,99€
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Marcella Hazan: Die klassische italienische Küche. 450 Rezepte mit einem Vorwort von Christian Seiler. Echtzeit Verlag Basel 2015, 604 Seiten geb., 54,-€
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