Genussgipfel Berlin

Die französische Botschaft lud zum Genussgipfels nach Berlin und glänzte mit einem Stück kulinarischer Diplomatie. Zwei Köche interpretierten den Titel des Weltkulturerbes für die französische Art des Essens als Begegnung zweier Kochkulturen.

Genussgipfel in der Französische Botschaft

Maurice Gourdault-Montagne, Botschafter Frankreichs in Berlin durfte an diesem Tag sein politisches Geschick und sein diplomatisches Talent einmal anders unter Beweis stellen. Gourdault-Montagne lud zu einer Art Arbeitsessen in die Französische Botschaft, das teilweise vollkommen schweigend von sich Reden machte. Gegenstand seiner wohldurchdachten Offerte war die kulturelle Begegnung Deutschlands und Frankreichs auf ganz gastrosophische Art.

Die Botschaft des kulinarischen Genussgipfels: Allein die geschmeckte Praxis des immateriellen Weltkulturerbes „französische Esskultur“ der UNESCO beweist den Wert dieser Auszeichnung. Und deren Talent  zur fruchtbaren Begegnung mit anderen Kochtraditionen. An dieser Stelle war dann doch französische Diplomatie und bikulturelle Expertise gefragt. Mit der Wahl der Köche bewies der Botschafter ein glückliches Händchen. Man sollte dies hervorheben, denn es zeugt von beachtlichem Fingerspitzengefühl, zwei ausgezeichnete Köche aus Frankreich und Deutschland zu einem solchen Event zusammenzubringen. Sollen sie doch miteinander in der Kunst der Zubereitung, und der Darreichungsform harmonieren und gleichzeitig eine jeweils eigenständige Interpretation der Kochkunst ihres Landes vorstellen. Hier zeigt sich die langjährige Erfahrung des Botschafters, denn schon zu seiner Bonner Zeit war Gourdault-Monzagne ein Experte darin, den Deutschen die guten Beziehungen zu Frankreich schmackhaft zu machen.

Mit dem Küchenchef der Französischen Botschaft, Thierry Gérente, präsentierte die Botschaft zugleich, wie viel Wert man auch im diplomatischen Alltag auf die  besondere Zubereitung der Speisen legt. Seit seinen Aufenthalten in der Karibik und London – wo er als Küchenchef im Londoner „Chez Lindsay“ dafür sorgte, dass dieses Restaurant den Ruf eines innovativen französischen Restaurants erhielt – verfügt der junge Mann über genügend Erfahrung und Freude an seinem Beruf, um die französische Küche in einem solch gediegenen Rahmen würdig zu präsentieren. Michael Kempf, der 2003 mit nur 26 Jahren seinen ersten Michelinstern erhielt, ist Küchenchef im Berliner Facil. Vorher kochte er im Gourmetrestaurant Dieter Müller in Bergisch Gladbach und wurde 2008 vom Gault Millau zum „Aufsteiger des Jahres“ gekürt.

Kulturerbe zum Genießen

Beide Köche verwendeten dieselben französischen Grundzutaten – Artischocken, Lamm, Ziegenkäse und Maronen – um ihr 4 Gänge Menü zuzubereiten. Erst am Gaumen erschlossen  sich dem Gast die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Zubereitung. Beide Köche kombinierten dabei die Grundzutaten mit regionalen Produkten ihres Heimatlandes, um so die landestypischen Spezialitäten und Besonderheiten zur Geltung bringen zu können.

Anlass für diesen genussvollen Wettstreit - der weniger als Streit denn als kulinarischer Dialog vorgestellt werden muss - war die Auszeichnung des gastronomischen Mahls der Franzosen zum immateriellen Weltkulturerbe durch die UNESCO vor einem Jahr. Daher wählte der Gastgeber auch das klassische 4 Gänge Menü aus, damit ausreichend Zeit zur Konversation bei und zwischen den Gängen blieb. Denn nicht nur das Essen und seine Zubereitung, sondern darüber hinaus der zeitliche Rahmen, den ein solches Menü traditionell einnimmt, ist Grund für die Auszeichnung.

Genuss braucht Zeit, um sich vollständig zu entfalten. Nur mit erlebbarer, geschmeckter Zeit, versetzt man sich und andere in die Lage, bleibende Eindrücke zu sammeln. Das gilt für das gemeinsame Essen ebenso wie das unvergessliche Gespräch. Oder wie es Michel Serres, Mitglied der Académie française, in Erinnerung eines solch vollständigen Genusses treffend auf den Punkt brachte: „Wir nahmen uns so viel Zeit, dass wir noch heute gerne von diesem Moment berichten.“

Französisch schmeckt deutsch schmeckt französisch

Thierry Gérente bereitete die Artischocken als Mousse zu Cantalcrackern und Spargellamellen, während Michael Kempf einen kunstvollen Spagat unternahm um den Bogen von der Bretagne zum Schwarzwald zu schlagen: Er vermählte die Artischocken an Rosmarin, Thymian und Pistazien mit einem Gin aus dem Schwarzwald. Der Lamm-Gang überzeugte bei Gérente durch eine klassisch mediterran angehauchte Zubereitung mit Elementen herbstlichen Gemüses. Kempf überraschte mit der Kombination aus Lamm und Steckrübe, die er mit Kürbiskernerde und Theobramjus zu einem harmonischen Ausgleich brachte. Sowohl beim Käse als auch beim Dessertgang zeigten sich beide Köche in inspirierender Höchstform und entließen die Gäste mit einem wohligen Geschmack von Marone, die es direkt in mehreren wunderbaren Zubereitungsarten als Mousse, Gelee und Eis zu goutieren gab.

Schwer zu entscheiden, wo das Landestypische der Zubereitung der Menüs endete, und wo die individuelle Handschrift und Kreativität von Gérente und Kempf begann. Umso mehr ist das eigentliche Anliegen des Genussgipfels, nämlich vorzuführen, wie typische französische Zutaten in deutschen Gerichten aufgehen und umgekehrt, wie französisch deutsche Menüs schmecken können, aufgegangen. Für seine Idee, die vorbildliche Auswahl der Köche und die hervorragende Ausrichtung des Genussgipfels müsste die Bundesregierung Maurice Gourdault-Montagne sicherlich das große Bundesverdienstkreuz mit Stern verleihen, wenn er es nicht schon hätte. Mon dieu.

Mehr auf Tartuffel:
Bücher: Die ungeahnten Verdienste des Monsieur Balzac
Charaktere: Küche spricht Deutsch
Köpfe: Michel Serres

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Sie waren die eigentlichen Protagonisten des französisch-deutschen Genussgipfels im vergangenen Jahr. Thierry Gérente und Michael Kempf über das Weltkulturerbe für die französische Art des Essens und die eigene Kochphilosophie.

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