Koch dich türkisch

„Koch dich Türkisch“ ist nicht nur Titel und Programm, es ist zugleich der Verweis auf die Heimat und das ironische Augenzwinkern, welches die Sprache liefert. Nicht umsonst heißt der hauseigene Verlag Doyç. Ein Wort, welches der deutsche Muttersprachler erst laut aussprechen muss, um ein erstes Verständnis der türkischen Sprache zu erhalten.

Unbestreitbar gibt es eine kulinarische Heimat, auch wenn diese im modernen Zeichen der Globalisierung zunehmend in den Hintergrund gerät. Uns alle überkommt immer mal wieder Sehnsucht nach Gerichten und Genüssen unsere Kindheit. Darunter kann sogar ein so chemisches Produkt wie die Götterspeise fallen. Doch im Gegensatz zu Produkten aus der Lebensmittelindustrie besteht die kulinarische Heimat in der Regel aus tatsächlich gekochtem Essen. Frische Lebensmittel gekoppelt mit der Kochkunst eines Familienmitglieds haben unsere Geschmackskoordinaten geprägt.

Türkisch kochen auf Doyç

Und vielleicht liegt hier auch der Schlüssel für Orhans Spaß an der Sprache. Der Deutsche mit türkischen Wurzeln lernte schnell, dass die Vermittlung der Rezepte traditionell eine mündliche ist. Normalerweise wurden die Rezepte von der Mutter in der Küche an die Tochter weitergegeben. Während seines "Auslandsaufenthaltes" im Schwäbischen bekam der Sohn jedoch Heimweh. Nicht in erster Linie nach der elterlichen Wohnung, als vielmehr nach den typischen Gerichten, die dort gekocht und im Kreis der Familie und der geladenen Freunde genossen wurden. Er wollte die Dinge kochen, die seine Mutter immer zubereitete, also fragte er seine Mutter nach Rezepten. Die Mutter gab dem Sohn den Rat, endlich zu heiraten, dann würde sich das Problem von selbst lösen. Doch Orhan gab sich mit dem Vorschlag nicht zufrieden, er wollte wissen, wie die Küche seiner Mutter funktioniert, wie die Sachen, die so lecker riechen, wie sie schmecken zubereitet werden. Auf Reisen in die Türkei ersteht der junge Mann türkische Kochbücher, doch auch hier hat er ein Problem, denn die Bücher sind für Eingeweihte geschrieben. Es fehlen Mengenangaben, ebenso wie Hinweise für grundlegende Zubereitungsschritte. Also doch wieder Fragen an die Mutter, die irgendwann ein Einsehen hat, oder aber ihre Ruhe haben will und lieber dem Sohn als der Tradition nachgibt.

Aus der Not entsteht so eine umfangreiche Rezeptsammlung, die später die Grundlage des ersten Buches des hauseigenen Verlages bilden wird. Die Rezepte sind einfach, übersichtlich und es fehlen weder Zutaten noch Zubereitungshinweise. Gleichzeitig zeugen sie von der geschmacklichen Vielfalt der türkischen Küche. Eine Küche, die bei uns immer noch als eine Döner-oder Grillküche wahrgenommen wird. Es wird Zeit, dass wir die Vielfalt dieser vielschichtigen Küche kennen lernen.

Nicht nur sein Beharrungsvermögen half ihm dabei, auch seine bis heute ungebremste Neugierde und sein Vermögen, Zusammenhänge nicht nur zu verstehen, sondern auch zu analysieren. Mittlerweile verfügt der kulinarische Autodidakt über ein umfangreiches Wissen zu türkischen Rezepten, Zubereitungsarten, Produkten und deren Herstellung.

Türkische Hausmannskost

Herausgekommen ist eine kleine Sammlung an Rezepten zu verschiedenen Themen der türkischen Küche. Es sind Rezepte, die man so in der Türkei kocht, türkische Hausmannskost, wie Orhan stolz betont. So schmeckt Heimat mitten in Deutschland. Und ja: Essen ist nicht nur Kultur, Essen verbindet Menschen und Kulturen. Über Essen kann man auf sehr angenehme Weise miteinander in Kontakt treten und sein kulturelles Wissen kulinarisch bereichern. Denn Essen erzählt immer auch eine Geschichte. Wie die in der Türkei stets anzutreffende Linsensuppe. Die Linsensuppe gibt es nicht nur zum Frühstück, oder als leichtes Mittagessen, sie ist nicht nur ein Gericht für arme Leute, wie man annehmen könnte. Nein, sie ist verbindendes Element, wie die Currywurst in Deutschland. Aber die Linsensuppe weist eine Besonderheit auf, es lohnt sich, sie genauer anzusehen. Denn ihre vereinende Kraft zieht die Linsensuppe aus dem Umstand, dass sie zu unterschieden versteht. Sie zeigt an, in welcher Region sie zubereitet wird, denn auf Grund der spezifischen regionalen Zutaten wechselt sie ihre Farbe von einem tiefen Orange zu einem leuchtenden Gelb-Orange.

Das nächste Buch über türkische Produkte und typische Gerichte der sieben Regionen ist bereits in Planung. Auch hier darf man gespannt sein, denn selbstverständlich kann Orhan mit einfachen Beispielen Zusammenhänge anschaulich machen. Welche Geschichte hat ein Gericht? Es sind nicht nur die Regionen, sondern besonders auch die Städte, die vermittels ihrer Gerichte ihre kulinarischen Geschichten zum Besten geben. Unabhängig davon gilt Orhans Motto, dass er sich als Deutscher mit türkischer Abstammung im Laufe seines Lebens erworben hat:

„Für ein gutes Essen braucht man gar nicht so viel. Nur gute Produkte, etwas Kreativität und jede Menge Leidenschaft.“ Vielleicht, so überlegt man nach dem Gespräch, wird es mal Zeit für ein Buch mit dem Titel „Koch dich Doyç“.

Wer auf den Geschmack von Koch dich Türkisch kommen möchte, den seien neben den Büchern besonders die Kochkurse, aber auch die Abende mit Weinverkostung ans Herz gelegt.

 

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