Ofen
Herd oder Ofen? Gastrosophisch gesehen ist es der Ofen, der unser Interesse verdient. Er trägt noch die Assoziation der ursprünglichen, offenen Feuerstelle in sich.
Im Ofen züngeln die wilden Flammen, sie können herausschießen und das Kochgut scharf anbrennen. Es ist der Ofen und nicht der Herd an dem man sich wärmt, von dem man keine Katze weglocken kann. Er ist mehr als der funktional gedachte und kalt domestizierte Herd. Der Ofen zeigt uns, dass Kochen immer auch Wärme und sogar Hitze ist, um an dieser Stelle Marie-Antoine Carême, einen der fast vergessenen, altehrwürdigen Meister dieses Faches zu Wort kommen zu lassen:
„Stellen sie sich eine große Menge Holzkohle vor, etwa einen Kubikmeter für die Zubereitung der Hauptgerichte und eine weitere Menge für die Suppen, die Saucen und die Ragouts und noch eine weitere für das Braten und die Wasserbäder. Geben sie dazu einen Berg Holz für vier Spieße, von denen sich jeder dreht. In diesem Backofen bewegt sich jeder sehr schnell, kein Geräusch ist zu hören, nur der Küchenchef hat das Recht zu sprechen, und beim Ertönen meiner Stimme gehorcht jeder. Und das Tüpfelchen auf dem i: Alle Fenster sind geschlossen, damit die Luft die Gerichte nicht abkühlt, während sie serviert werden.“
Traditionell war Hitze ein ebenso unverzichtbares wie unvermeidbares Element der Küche. Mittlerweile hat sich dieses Bild gewandelt. Die Maschinen und Geräte sind leiser geworden und geben weniger Hitze ab. Gleichwohl gibt es in vielen Küchen noch Öfen, die, wenn auch nicht mehr mit Holz befeuert, so doch mit Gas ihr Flammenspiel entwickeln. Durch und mit der Flamme verströmen sie das wärmende Element, welches man mit dem „Pot au feu“, dem sprichwörtlichen Topf auf der offenen Flamme, als Inbegriff der elementaren und archaischen Eigenschaften der Kochkunst verbindet.
So ist es der Ofen, der noch die offene Flamme zeigt, sie aber zugleich in seinem Gehäuse bändigt. In diesem Sinne ist er Erinnerung an den Ursprung des Kochens und zugleich der erste Schritt zur Kochsitte. Der Ofen markiert den Wechsel von der Natur zur Kultur des Kochens.