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Schreiben & Kochen

Er zählt zu den besten Foodstylisten der Republik und veröffentlicht regelmäßig in Zeitschriften und auf seinem Blog NutriCulinary.com. Kein Mann der lauten Töne, aber einer, der was zu sagen hat. „Tartuffel“ sprach mit Stevan Paul über die Sprache des Essens.

Stevan Pauls scheinbar spielerischer Umgang mit Worten und Zutaten

Wer ein Buch mit dem kulinarisch interessanten Titel „Monsieur, der Hummer und ich - Erzählungen vom Kochen“ schreibt, darüber hinaus eines der sprachlich interessantesten Foodblogs in Deutschland betreibt, muss auch bei „Tartuffel“ zu Wort kommen. Die Rede ist von Stevan Paul.

Er lernte das Kochen im Gourmetrestaurant von Albert Bouley. Anschließend verfeinert er sein Können in führenden Häusern der Gastronomie. Kurzentschlossen nutzt er die Chance, als Foodstylist zu arbeiten und wird Redakteur für führende Foodzeitschriften. Mittlerweile ist er bereits über zehn Jahre als kulinarischer Kolumnist und Foodstylist tätig.

Obgleich Paul kein Mann der lauten Töne ist, sondern seine Argumente so leicht wie nachhaltig zu verwenden weiß, ist seine Position doch deutlich. So erklärt sich beispielsweise der Seitenhieb auf einen Koch ohne Bodenhaftung wie Alfons Schubeck, der mittlerweile für Fett, Farbstoffe und „fast“ Food Reklame macht. Für Paul dagegen gilt, dass seine kulinarischen Überzeugungen sich in seinen Texten ebenso wie in seinem Styling findet, ohne dass ihnen etwas Imperatives anhaften würde. Sie kommen so leicht daher, dass man sie einfach genießen kann.

Das Gespräch findet am frühen Morgen statt. Doch Stevan Paul verbreitet eine solch angenehme Begeisterung für seine Profession, dass man das Gefühl hat, man sitze beim dritten Glas Rotwein und nicht beim ersten Kaffee des Tages zusammen.

Herr Paul, wollten Sie schon immer Foodstylist werden?
Nein. Das ist kein Berufsbild gewesen, das ich schon als Schüler mit mir herumgetragen habe. Ich wusste gar nicht, dass es so etwas gibt. Aber die Schule machte mir keinen Spaß. Ich wollte dringend weg und beschloss, Koch zu werden. Ich hatte das große Glück, in Ravensburg bei Albert Bouley meine Lehre als Koch zu absolvieren. Sehr schnell merkte ich, dass mir hier die Augen für ein völlig neues Verständnis von Kochen, Zubereiten und der Liebe zu den einzelnen Produkten geöffnet wurden. Ich verdanke dieser Zeit sehr viel, nicht nur das Ende einer langweiligen Schullaufbahn.

Wie sind Sie Foodstylist geworden?
Ich habe einige Jahre in der Sternegastronomie gearbeitet. Dabei habe ich viele Erfahrungen gesammelt aber auch gemerkt, dass dieser Job mir auf Dauer nicht gut tut, da man permanent gefordert ist und sehr lange Arbeitstage hat. Ich wollte aber gerne neben dem Kochen noch Zeit haben, um über das Kochen zu schreiben und plante daher umzusatteln. Zunächst wollte ich ein Studium der Betriebswirtschaft absolvieren, es gab allerdings eine relativ lange Wartezeit und ich unternahm den Versuch, bei meiner Lieblingszeitschrift als Praktikant zum Kochen der dort vorgestellten Gerichte anzuheuern. Ich hatte Glück und konnte bei „essen & trinken“ anfangen. Zwei Wochen später haben sie mich dort übernommen. So habe ich meinen Weg gefunden. Durch die Aufgabe, stets auch für die Kamera zu kochen, erlernt man das Foodstyling intuitiv. Mittlerweile arbeite ich für viele Fachzeitschriften und Magazine, entwickle und schreibe Kochbücher.Jetzt hört sich Foodstyling lecker oberflächlich an – Sie grundieren das Ästhetische aber durch ihren Blog.

Welche Verbindungen ergeben sich für Sie zwischen diesen beiden Bereichen?
Schreiben ist für mich das Gegengewicht zum Foodstyling. Ich nutze, wenn ich es so ausdrücken darf, meine Schreibstube, um Sachen auszuprobieren. Heute, da ich journalistische Aufträge habe, kommt vieles, was ich nicht in der Länge und Ausführlichkeit unterbringen kann, dann in mein Blog. Hier kann ich mir Zeit lassen und meinen Lesern meine Eindrücke in Ruhe darstellen.

Dabei ist es allerdings für mich sehr wichtig auch verschiedene Themenschwerpunkte darzustellen. Essen ist ja nicht einfach ein eindimensionaler Vorgang. Genuss findet auf mehreren Ebenen statt. Denken Sie nicht nur an die Unterschiede zwischen den einzelnen Getränkearten oder den Unterschied zwischen Essen und Trinken. Essen hat viel mit seiner Produktion, seiner Darreichungsform, aber auch mit der Art und Weise zu tun, wie wir uns damit beschäftigen. Diese verschiedenen Aspekte versuche ich auf meinem Blog darzustellen. Es gibt eben nicht nur Restaurantkritiken oder persönliche Betrachtungen über ein Essen. Ich setze mich kritisch mit der weltweiten Lebensmittelproduktion auseinander und möchte gleichberechtigt dem Genuss neue sprachliche Ausdrucksformen bieten. Daher auch meine nur auf den ersten Blick vielleicht überraschende Rubrik „Das kulinarische Gedicht“.

Wie würden Sie selbst es einschätzen: Haben Sie einen Beruf oder eine Berufung?
Ich bin mit meinem beruflichen Dualismus sehr zufrieden. Das Kochen und das Schreiben darüber sind mir mit den Jahren zur Berufung geworden. Ich mag keine Ideologen und keine verbohrten Besserwisser. Gleichwohl denke ich, dass man Menschen mit Argumenten überzeugen kann. Dies möchte ich jedoch nie mit einem erhobenen Zeigefinger unternehmen. Ich sehe meine Arbeit als kritisch und kreativ an.

Für mich ist es wichtig, dem Essen einen neuen Ausdruck zu verleihen. Damit meine ich nicht nur die Präsentation auf dem Teller sondern auch, ihm eine neue Sprache zu geben. Es ist nach wie vor eine große Herausforderung, die richtigen Worte zu finden, wenn man einen Geschmack als Erlebnis aufschreiben und für andere nachvollziehbar darstellen möchte. Ich glaube, wenn wir dem Essen seine Sprache verleihen, wächst auch das Bewusstsein darüber, dass Essen ein Schlüssel für Gesundheit und Wohlbefinden ist. Eine gute Küche ist untrennbar mit einer guten Ernährung verbunden. Hierfür die Sprache zu finden, die bei den Lesern Bilder im Kopf entstehen lässt, ist eine wunderbare Herausforderung.

Mit wem würden Sie gerne mal zusammen kochen?
Mit Alain Ducasse. Weil er schon ganz früh für einen Minimalismus in der Küche stand, der mich nach wie vor begeistert. Es ist ein Minimalismus, der sich über das Wissen um die Zubereitungszeiten, die Temperaturen und die guten Grundprodukte speist. Meine Küche ist sehr minimalistisch, ganz wenig Tamtam. Ich fühle mich auch der neuen britischen Küche verbunden, sehr einfach, zwei bis drei Grundzutaten und man erlebt die Produkte neu. Oder denken sie an Laurent Poulet, der an der Côte d´Azur mit ganz wenigen Sachen auf dem Teller für kulinarische Erweckungserlebnisse sorgt. Das finde ich spannend. Es ist eine Küche mit Aussagekraft, da man sich auf die Produkte und die Zubereitungsart konzentriert und dem Esser etwas darüber erzählt. Eine Geschichte, die er intuitiv und mit allen Sinnen aufnehmen kann. Das ist unverfälschter Genuss.

Welches Foodblog lesen Sie am liebsten?
Das von Katharina Seiser, Esskultur.at. Sie hat einen sehr liebevollen Umgang mit Essen, ein sehr umfassendes Wissen und einen vielfältigen Zugang zum Thema. Ihre Restaurantkritiken etwa zum Restaurant Noma von René Redzeppi in Kopenhagen lesen sich spannend und interessant, fast wie eine kleine kulinarische Abenteuerreise. Und immer denkt Katharina Seiser auch politisch. Essen hat bei ihr stets einen zwischenmenschlichen Charakter.

Haben Sie berufliche Vorbilder?
Ganz klar: Vincent Klink, als Koch und als Autor. Dabei meine ich nicht nur seine Kochbücher sondern ebenso seine Arbeit als Schriftsteller. Es ist schon fast unglaublich, was dieser Mann leistet. Auftritte im Fernsehen, ohne sich hier als ein Fernsehkoch zu verbiegen. Er lässt auch schon mal einen Fehler geschehen, um den Zuschauern zu zeigen, wie man so etwas wieder ausbügeln kann, ohne das gesamte Essen zu verderben. Dann hat er ein Sternerestaurant und gibt seit mehr als zehn Jahren vier Mal im Jahr seine kulinarische Zeitschrift „Häuptling eigener Herd“ heraus. Darüber hinaus hat er seine Biografie vorgelegt und das wird sicherlich noch nicht alles sein. Das imponiert mir sehr.

Herr Paul, was sind Ihre nächsten Pläne?
Im nächsten Jahr werde ich ein neues Kochbuch angehen. Es wird sich mit der bei uns noch relativ unbekannten Küche des Cilento, der italienischen Region, die sich südlich von Neapel erstreckt, beschäftigen. Denn schließlich lohnt es sich, diese grandiose Küche zu würdigen. Mein Erzählband "Monsieur, der Hummer und ich – Erzählungen vom Kochen" wird im kommenden Frühjahr als Taschenbuch herauskommen und im Herbst werde ich den zweiten Band veröffentlichen.

Food stylen und schreiben, wo sehen Sie da Berührungspunkte zur Gastrosophie?
Gastrosophie ist für mich Nachdenken über das was man tut und isst – insofern verstehe ich mich in einer gastrosophischen Tradition, auch in meinen Erzählungen stecken Gedanken zur Kulinaristik. Sie wissen doch, schließlich ist nichts im Verstand, was nicht zuvor in den Sinnen war.

Linktipps:

Stevan Pauls Foodblog NutriCulinary

Foodblog Esskultur

Website von Laurent Poulet

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