Symbolisches Verspeisen – Der Christstollen

Symbolisches Verspeisen – Der Christstollen | Quelle: Wikipedia

Stollen

Symbole verspeisen

Kulinarische Geschichte - der Christstollen

Es braucht schon die Vorstellungskraft eines Kindes, um vollständig zu verstehen, was man ißt, wenn ein Christstollen aus dem Ofen kommt. Eine phantasievolle Übung mit langer Tradition.

 

Es ist schön, wenn kleine Kinder erste Backerfahrung in ihrer Küche machen. In so einer Spielküche kann man fabelhafte Dinge bereiten: ein Brei wird direkt in der Tasse gekocht, gerne auch Eis in einer Pfanne, das dann vom Finger weg probiert und bewertet wird. Aus dem Ofen kann man nicht nur Spielzeugbrot befördern, sondern mit etwas Geschick eine große Schüssel, die angeblich einen wunderbaren Christstollen enthält. Schaut man dann in die beim Probieren zufriedenen Gesichter der Kinder, möchte man glauben, dass sie tatsächlich im Moment mehr als ein Nichts zum Mund führen, nämlich die komplette Vorstellungskraft, die einen Christstollen auszeichnet.

Christstollen gehört wie Schneeflocken zum Winter, zu Weihnachten und zum Advent. Dabei durfte der Christstollen früher nicht in der Adventszeit gegessen werden, da es ja noch das Adventsfasten gab, welches erst am ersten Weihnachtsfeiertag gebrochen wurde. Dies liegt auch in der symbolischen Gestalt des Stollens begründet. Auch wenn es uns heute zumeist nicht mehr präsent ist, symbolisiert das Gebäck in seiner traditionellen Form das neugeborene Christuskind. Und in der Tat: betrachtet man den Leib eines Christstollens, dann kann man von Form und Gewicht wirklich den Vergleich zu einem gewickelten Neugeborenen ziehen, daher auch der unvermeidliche Überzug mit Puderzucker. Es geht beim Christstollen nicht nur darum, ein Gebäck zu verspeisen. Man verschlingt – symbolisch – das Kind Gottes.

Üppig trotz Fastenzeit

Der Christstollen, erstmals im 14. Jahrhundert erwähnt, ist mittlerweile selbst gebackene Geschichte. Nachdem  Papst Innozenz VIII. 1491 in seinem „Butterbrief“ die Butter im Stollen erlaubte – und damit das fade Fastengebäck in den Rang einer üppigen Leckerei erhob – startete der Christstollen von Sachsen aus seinen Siegeszug. Noch heute schmeckt er, wenn er nicht gerade aus dem Supermarkt kommt und aus einer Plastikfolie befreit werden muss, ein wenig nach früher, wie bei Oma und ein wenig so, wie man sich den Orient als Kind vorstellt. Süß, zuckrig, Mandeln und Zucker vereinen sich zu einem feinen Marzipanaroma, während die in Rum eingelegten Rosinen zusammen mit den kandierten Früchten für einen Hauch von Exotik sorgen. Alle Gewürze verweisen noch auf die mittelalterliche Vorstellung vom Morgenland.

All dies kann man den Kindern erzählen, wenn sie alt genug sind, um beim Stollenbacken mitzuhelfen. Eine richtige kleine Weihnachtsgeschichte zum spielerischen Nachkochen und buchstäblichen Wegessen.
 

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