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Es ist ein Brauch von alters her

Fast zu schön, um wahr zu sein. Wilhelm Buschs zufällig gefundene Bildergeschichte „Der Kuchenteig“ mahnt zu einer Neu­entdeckung des unterschätzten Comic-Pioniers und seiner untertitelten Bilder­geschichten.

Wilhelm Busch als Gastrosophen entdecken

Natürlich kennt ihn jedes Kind: Wilhelm Busch ist nicht nur als Erfinder von „Max und Moritz“ in populärer Erinnerung. Er ist der Ur-Vater der Comic-Erzählung, Autor von „Plisch und Plum“, der „Frommen Helene“ und ein unterschätzter Wegbereiter der Lautmalerei – Schnupdiwup!

Seine Figuren wie der Lehrer Lämpel aus „Max und Moritz“ oder die „Fromme Helene“ liegen mehr Menschen auf der Zunge, als die Personage aus den Romanen Thomas Manns. Nicht zuletzt manche Redewendung gewordene Zeile steht für diese Prominenz: „Ein guter Mensch gibt gerne acht | Ob auch der andre was Böses macht“.

Dabei trug sich Busch, bevor er sich der Malerei und seinen Bildgeschichten zuwendete, mit dem Gedanken, als Bienenzüchter nach Brasilien auszuwandern. Zum Glück aber schafft er mit „Max und Moritz“ aus dem Stand den Durchbruch. Seine Verbundenheit mit dem Imkerhandwerk blieb, was künstlerisch „Die kleinen Honigdiebe“ und fachmännisch verschiedene Arbeiten für das „Bienenwirtschaftliche Zentralblatt“ dokumentieren.

Zu entdecken ist aber auch ein Dichter und Zeichner mit dem Blick auf das Gastrosophische. Nicht nur die Streiche von Max und Moritz, die sich durch den Teig knabbern, oder die Hühner der Witwe Bolte, die „ohne Kopf und Gurgeln lieblich in der Pfanne schmurgeln“ , sind dem leiblichen Wohl gewidmet. Viele seiner Reime sind verschiedenen Getränken und ihrer Wirkung gewidmet. Der Unglücksrabe Hans Huckebein schaut noch zu tief ins Glas: „Jetzt aber naht sich das Malör. Denn dies Getränk ist Likör.“ Aber schon bald entwirft Busch Verse, wie man sie mittlerweile auf jedem Kalenderblatt findet und die seine bewundernswerte, nachhaltige Berühmtheit im deutschsprachigen Raum begründen: „Rotwein ist für alte Knaben eine von den besten Gaben.“ Oder auch: „Es ist ein Brauch von alters her. Wer Sorgen hat, hat auch Likör!“

Ein unerwarteter Fund

2008, im Jahre seines 100. Todestages wurde zufällig eine kleine Bildergeschichte des Meisters gefunden. Dies galt als nicht geringe Sensation, neigte Busch doch dazu, alle seine Studien und Korrespondenzen als Brennmaterial zu verwenden und durch den heimischen Kamin zu jagen. Die Geschichte umfasst lediglich zehn Bilder und wirkt wie ein erster Entwurf zu „Max und Moritz“. Entstanden ist die Geschichte wahrscheinlich zwischen den Jahren 1859 und 1865. Sie erzählt die Geschichte eines kleinen Jungen, der in seiner Physiognomie eine Mischung von Max und Moritz sein könnte. Ein genährtes Kind, welches seiner Mutter zuschaut, wie sie in einer Wanne einen zähen Kuchenteig durchwalkt. Die Mutter verlässt die Szene und der Junge fällt, nachdem er vom Kuchen genascht hat, in den Trog. Hiernach ist er über und über von Teig verklebt und muss von der Mutter gar gereinigt werden, bevor der Vater nach dem Rohrstock greift. Die Bilder des Kindes, das in einem Trog voll Teig verschwindet, erinnern natürlich an Max und Moritz, die nicht vom Teig gereinigt, sondern – hintergründig und bösartiger – vom Bäcker im Teigmantel in den Ofen geschoben werden, um sich später durch den Teig in die Freiheit zu beißen. Nachzulesen ist die Bildergeschichte samt liebevollem Kommentar von Andreas Platthaus in einem kleinen bei Insel erschienen Bändchen.

Selbstredend handelt es sich hier um die Weisheiten eines Mannes, der den guten Seiten des Lebens zugewandt war. Nicht umsonst charakterisiert Busch sich selbst als Gourmet, der auch die Hausmannskost schätzt: „Wenn ich auch im gewöhnlichem Lauf der Tage schlichtweg zu essen liebe, bin ich doch nicht so hartmäulig, um gewöhnlich Gutes nicht schätzen zu können, oder so bescheiden, dass ich mich für das Beste nicht gut genug hielte.“

Eine Fotografie aus dieser Zeit zeigt Busch nicht zufällig mit Weinpokal und Weinflasche. Versteht man Busch als Philosophen, dann versteht man sofort, das der Spruch aus der frommen Helene „Das Gute – dieser Satz steht fest – ist stets das Böse, was man lässt!“ auf ihn selbst gemünzt ist.

Wilhelm Busch: Der Kuchenteig (Insel Bücherei) 

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